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cosima73

Posted on 7.9.2021

Anfang der 1930er-Jahre flieht Erich Maria Remarque aus Berlin in sein Haus in Ascona. Der Autor, der mit seinem Buch «Im Westen nichts Neues» grosse Erfolge feierte, fühlt sich in Deutschland nicht mehr sicher und hatte ein gutes Timing: Am Tag nach seiner Flucht wird Hitler zum Reichskanzler ernannt und wenig später landen Remarques Bücher im Feuer. Erich Maria Remarque ist nicht der einzige in Ascona, mit ihm finden sich 1933 eine ganze Reihe in Deutschland nicht mehr gewünschter Künstler ein, unter anderem Else Lasker-Schüler, Marianne von Werefkin, Ernst Toller oder Emil Ludwig. Remarque leidet an der Zeit, an Selbstzweifeln und unter seinem blockierten Schreiben, er ertränkt sein Leiden im Alkohol, treibt Raubbau mit seinem Körper, flüchtet sich in Liebschaften, die ihm dann doch wieder zu eng werden. Als auch noch seine Exfrau in Ascona auftaucht, wird alles noch komplizierter. Dann trifft er die eine Frau, in die er seine Hoffnungen setzt, obwohl sie teilweise innerlich wie äußerlich viel zu weit weg scheint. Als die Lage sich in ganz Europa zuspitzt, ist sie es, die ihn aus seinem Schweizer Exil holt. Anhand von Erich Maria Remarques Biografie wird in «Ascona» das Bild einer Zeit wieder lebendig, die wohl als die schwärzeste unserer hiesigen Welt bezeichnet werden darf. Wir treffen zusammen mit Remarque auf eine ganze Reihe namhafter Persönlichkeiten, die alle ihre Heimat verloren haben und im Exil zwischen Verzweiflung, Ohnmacht und Hoffnung schwanken, wobei jeder für sich anders damit umgeht. Edgar Rai ist es gelungen, sowohl Remarque als auch das Leben im Exil auf anschauliche, authentische, eindrückliche Weise zu schildern, die sowohl kompetent recherchiert und doch flüssig zu lesen ist. Es ist ihm gelungen, das Zeitzeugnis als unterhaltsame, mitreißende, betroffen machende und einnehmende Weise zu erzählen. Zudem weckt das Buch den großen Wunsch, mehr über die Zeit und die in der Geschichte spielenden Figuren zu erfahren. «Ascona» ist aber nicht nur die Geschichte einer Zeit, es ist auch die Geschichte von Remarques Schreiben, mit allen Kämpfen, die damit zusammenhingen. Es ist die Geschichte der Entstehung seines Romans «Drei Kameraden», die Geschichte um das Ringen mit der Geschichte und mit sich selbst. Fazit Eine sehr intensive Geschichte um einen in Depressionen und Alkohol versunkenen Schriftsteller, die das Leiden an der Zeit sowie das Kämpfen ums eigene Überleben in derselben auf plastische, sprachlich hochstehende und trotzdem lesbare Weise erzählt. Ganz große Leseempfehlung.

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