girasole
Im Auftakt der neuen Familiensaga geht es um das Leben der jüdischen Familie Oppenheimer aus Berlin. Sie lebte dort im Jahr 1878 mit ihren Kindern, die geliebt werden, aber vor allem aus Geldgründen, zieht die 16jährige Paula als Gesellschafterin zu Tante Auguste, einer damals schon toughen Frau. Dort erlebt sie eine ganz andere Welt - ein eigenes Zimmer, neue Kleider, Opernbesuche, sie muß mehrere Zeitungen lesen, darf alles überdenken und muß bei den anschließenden Gesprächen unterschiedliche Perspektiven einnehmen und diskutieren. Auguste appelliert immer an ihren Verstand. Außerdem spielt sie hingebungsvoll Klavier. Einziger negativer Punkt - Paulas Mutter und Tante Auguste stehen in ständiger Konkurrenz zueinander. Paula bekommt Probleme mit ihrer Lunge und deshalb verbringt sie mit Auguste und auch ihrer Familie einige Wochen in einem Ferienhaus an der Ostsee. Paula gewinnt eine Freundin in Phine. Diese Zeit bleibt für Paula unvergessen und sie kehrt in der Folge immer wieder an diesen Ort zurück. Mittlerweile studiert ihr Seelenbruder Franz und bringt zu einem kulturellen Abend im Hause Oppenheimer einen Studienkollegen mit – Richard Dehmel. Wenn er rezidiert, dann wird er zu Merlin dem Zauberer und Paula verliebt sich in ihn. Aber, wenn man Richard richtig versteht, dann sucht er eine reiche Frau und das ist Paula nun wahrlich nicht. Paulas Eltern sind skeptisch, sie haben Vorbehalte gegen Richard, denn auf sein Einkommen als Dichter ist kein Verlaß, um unter solchen Voraussetzungen eine Familie zu gründen . Auch Tante Auguste sieht diese Liebe kritisch. Erst nachdem Richard einen sicheren Beruf als Versicherungsangestellter hat, setzt Paula sich durch und heiratet ihn. Richard fühlt sich zum Schreiben berufen, liebt Auftritte und sonnt sich in der Bewunderung, vor allem der Damen. Er will ständig gelobt und bestätigt werden. Andererseits fühlt sich Richard mit den Jahren geknechtet mit dem ungeliebten Job und den Kindern. So schreibt er z. B. auch Gedichte, die für Paula eine echte Beleidigung sind. Im Laufe der Zeit stellt sich leider heraus, daß die Eheleute unterschiedliche Ansichten bzw. Vorstellungen über die zu führende Ehe haben und es kommt zum Eklat. Paula liebte es als Kind bereits, sich für ihre Geschwister Rätsel auszudenken, jetzt schreibt sie Kinderbücher. Wer Ulrike-Renk-Romane kennt, der weiß, daß man sie nicht mehr aus der Hand legen kann, wenn man einmal mit dem Lesen begonnen hat. Es entsteht sofort in Lesesog, er beginnt bei der ersten Seite und hört erst mit der letzten wieder auf. Wie bei ihren anderen Familiengeschichten bekam sie auch hier von Angehörigen Unterlagen zur Verfügung gestellt, um die sie den Roman entwickelt hat und sie beschreibt das Schicksal von Paula Oppenheimer. Der Schreibstil ist bekannt und wie immer flüssig zu lesen. Positiv fand ich die authentische Sprache. Paula wird sehr gut charakterisiert und als Leser kann man sich sehr gut in sie hineinversetzen. Ihre Liebe und ihre Haltung zu Richard waren mir als Außenstehender manchmal unverständlich großmütig, denn sie läßt sich wirklich sehr viel von ihm bieten, für mein Verständnis zu viel. Auch die Beschreibung des Klavierspiels fand ich toll beschrieben, man hatte es beim Lesen förmlich im Ohr. Tante Auguste hatte ich besonders ins Herz geschlossen, denn sie hat die großartige Entfaltung und Entwicklung von Paula erst möglich gemacht. Auch der Seelenbruder Franz gefiel mir sehr gut. Die Animositäten zwischen der Mutter und Auguste fand ich sehr realistisch und nachvollziehbar beschrieben, ebenso den Zusammenhalt der Familie Oppenheimer. Ich kann diesen Roman nur empfehlen und warte gespannt auf Band 2!