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Merle

Posted on 23.8.2021

Vielen Dank an den Saga Verlag und NetGalley, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Meine Meinung ist davon unabhängig. Chasing Dreams war mein erstes Buch von Julia K. Stein und ich habe es hauptsächlich deshalb gelesen, weil die Protagonistin Ballett tanzt. Durch den Klappentext hatte ich den Eindruck, dass ihre Zeit am Montana Arts College und ihre Ausbildung zur Tänzerin im Vordergrund der Geschichte stehen werden. Dem war allerdings nicht so… Chasing Dreams behandelt eine Vielzahl von Themen und ich finde es wirklich schade, dass durch den Klappentext ein falscher Eindruck entsteht. Denn es sind wirklich spannende Themen, die mit einer Erwähnung noch mehr Personen auf das Buch aufmerksam machen würde. Neben Ballett geht es auch um K-Dance, was Yuna genauso gerne wie Ballett tanzt. Miles arbeitet auch nicht nur als Barista, sondern malt in seiner Freizeit, hilft auf der Ranch aus, auf der er wohnt, geht reiten und Boxen im Fitnessstudio. Von meinem persönlichen Gefühl her würde ich auch sagen, dass die Orte College, Café, Ranch und Fitnessstudio ungefähr alle gleichviel Schauplatz der Geschichte sind. Es ist insgesamt ein herbstliches Buch, würde ich sagen, da wie gesagt die Ranch eine große Rolle spielt, und es auch Lagerfeuer-Szenen gibt. Für mich ist Chasing Dreams einfach kein Buch voller Ballett und College Vibes. Die Themen haben mich auch interessiert, aber wie bereits gesagt hatte ich ganz andere Erwartungen an das Buch aufgrund des Klappentextes. Miles und Yuna sind beides vielschichtige und kreative Personen, die eine schwere Vergangenheit hinter sich haben. Miles ist bei verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen und in der letzten Pflegefamilie gab es Komplikationen, deren Folgen er auch noch im Meilen entfernten Montana zu spüren hat. Yuna ist mexikanisch-japanischer Abstammung, und durch ihre Ethnie hat sie mit Vorurteilen zu kämpfen. Außerdem kommt sie aus New York und darf sich als „Rich City Girl“ abstempeln lassen, obwohl sie nur durch ein Stipendium ans Montana Arts College kann. Und sie hat sich erst kürzlich von einer schweren Krankheit erholt, und will auf gar keinen Fall noch einen weiteren Punkt offenbaren, der sie angreifbar macht. Diese Konzepte der Protagonisten haben mir erstmal gut gefallen. Beide haben mehrere Hobbies und Interessen, mehrere Themen, die sie belasten und antreiben. Aber in der Ausführung hätte ich mir dann doch mehr Tiefe für die schweren Vergangenheiten der beiden gewünscht. Bis zum Ende des Buches wird nie richtig auf Yunas Krankheit eingegangen; es wird immer nur angedeutet, was es war. Und ich hätte mir da mehr klare und präzise Worte zu gewünscht. Nun zur Handlung: das Tempo ist unglaublich langsam. Erst im 10. Kapitel (beim Hörbuch waren es ca. 30%) reden die beiden das erste Mal miteinander, und das erste Date findet zwischen 60 und 70% der Geschichte statt – für mich persönlich zu spät. Zu Beginn des Buches scheint es so, als würde das Buch die Fake Relationship Trope benutzen. Yuna ist im Unterricht abgelenkt, und ihre Tanzlehrerin vermutet, dass sie Depressionen hat. Um ihre Krankheit verheimlichen, will Yuna ablenken, sieht Miles auf dem Flur, erzählt der Lehrerin, dass die beiden zusammen sind und küsst Miles dann vor ihr. Dann sagt Yuna noch, dass sie ihre Beziehung nicht mehr verheimlichen will und es ihren Mittänzer*innen erzählen wird… und dann ist das komplett nicht mehr relevant. Keiner fragt mehr danach; nur einmal macht Miles noch Witze über diesen ersten – ungefragten – Kuss. Warum baut man denn dann so eine Szene ein, wenn man das nicht weiter ausbaut? Es gab generell noch ein paar andere Momente, in denen ich mich gefragt habe, warum das vorkommt. Als Miles Yuna zum ersten Mal sieht, überlegt er, ob sie „indianisch“ sei… ich dachte das Wort „Indianer“ nutzt man nicht mehr? Hätte man da nicht einfach ein anderes Wort nehmen können? Außerdem sind mehrere Rap/Song-Lyrics abgedruckt, voller Schimpfwörter und dem unzensierten N-Wort. Das hat für die Geschichte aber keinen Mehrwert, also verstehe ich nicht, warum man das nicht hätte zensieren können. Yuna erwähnt zu Beginn des Buches auch mehrmals, dass sie ihre Zimmernachbarin Julie (Protagonistin des 3. Bandes) seltsam findet und denkt eher abwertend über ihre spirituell-angehauchten Handlungen und Denkweisen. Ich fand es schade, wie abwertend hier Spiritualität charakterisiert wird, auch wenn das natürlich die Meinung eines fiktiven Charakters ist. Aber „seltsam“ müssen wir wirklich nicht mehr zur Charakterisierung nutzen. Es gab noch mehr Aussagen, die Stereotypen verstärken und in der ich die Wortwahl wirklich unpassend fand; da ich aber das Hörbuch gehört habe, habe ich jetzt keine weiteren Zitate parat. Und ich hatte das Gefühl, dass sich ein paar Sätze wiederholt haben. Nicht komplett, aber manchmal wurde etwas erwähnt und dann kurze Zeit später wieder, nur anders formuliert. So, als wäre beim Überarbeiten vergessen worden, eine Version des Satzes wegzustreichen. Nach der ganzen Kritik noch etwas Gutes. Also loben kann ich die Sex-Szene hier im Buch. Sie zeigt, dass nicht immer alles perfekt läuft und so klappt, wie man es sich vorstellt, und begegnet dem mit Humor. Das fand ich sehr erfrischend, weil viele New Adult Bücher nur perfekten Sex zeigen, und das entspricht nicht der Realität. Und das Buch vermittelt so auch, dass man solche „Sex Fails“ (solange niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist), einfach mit Humor nehmen soll und lachen sollte, und sich nicht darüber ärgern und schämen. Die Sprecher*innen des Hörbuchs mochte ich auch. Julian Mill konnte mich ja auch z.B. bei A Reason To Stay begeistern, und ich mag seine warme Stimmfarbe einfach gerne, sowie seine lebhafte und animierte Art des Sprechens. Viola Müller habe ich auch ganz gerne zugehört, wobei ich ihre Stimme manchmal etwas zu rau und gehaucht fand. Ich weiß aber auch, dass sie bei weiteren Synchronprojekten anders gesprochen hat, klarer, weicher. Das hätte mir auch für Yuna besser gefallen. Aber insgesamt war es ein wirklich gutes Hörbuch! Eine spannende Idee, gute Sprecher*innen, vielschichtige Protagonist*innen… und trotzdem komme ich nur auf 3-3,5 Sterne von 5. Mir ging es viel zu langsam voran, und im Nachhinein fallen mir einfach zu viele abwertende und unglückliche Formulierungen ein, die meine Meinung zu dem Buch verschlechtern. Dabei sind es ja oft nur Kleinigkeiten; einzelne Worte, die man in einer Überarbeitung ersetzen kann. Denn ich bin ja nicht die einzige, der z.B. die Ausformulierung des N-Wortes oder das Wort „indianisch“ negativ aufgestoßen sind.

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