Profilbild von miss_pageturner

miss_pageturner

Posted on 22.8.2021

Dieses Buch stand schon auf meiner Wunschliste, als ich es Anfang des Jahres in den Neuerscheinungen 2021 entdeckt hatte. Daher habe ich mich auf das Lesen sehr gefreut und wurde nicht enttäuscht. Von wegen Südstaatencharme Gleich eins vorweg: Dieses Buch ist kein Horrorroman im eigentlichen Sinne, es sei denn man betrachtet haarsträubende sexistische Ansichten mancher Charaktere als Horror. Das Buch spielt zwischen den 1980er und 1990er Jahren in South Carolina, genauer gesagt in Mt. Pleasant, einem gut situierten Vorort von Charleston. Es ist so ein typischer Ort, wie man ihn von Serien wie Desprite Housewifes kennt: Jeder kennt jeden und doch liegen Geheimnisse überall verborgen. Protagonistin Patricia ist eine für diesen Ort und diese Zeit typische Hausfrau. Die ersten Seiten verbringen wir damit ihr Leben kennenzulernen und schon hier wird zwischen Mann, Kindern und elitärem Buchclub deutlich, dass Patricias eigentlich mehr will, dass ihr dieses Leben zu bieder und zu einengend ist. Eine Thematik, die in diesem Roman noch sehr oft wieder aufkommen wird. Denn ja, wir haben einen Vampir und ja, er nimmt auch viel Raum in der Handlung ein, ist so richtig fies und keiner der glitzernden Art. Und doch ist Southern Gothic so viel mehr, als einfache Grusellektüre. Es ist eher ein Gesellschaftsroman mit Horrorelementen und dem entsprechen wird dem Sozialem und zwischenmenschlichem viel Raum geboten. Es ist keine leichte Kost und man muss auch richtige Hasscharaktere und Szenen, bei denen man vor Wut schreien möchte, aushalten können. Grund dafür ist neben dem Vampir an sich vor allem der unglaubliche Sexismus der Männer, aber auch das erlernte Selbstbildnis der Frauen in diesen Roman. Schonungslos zeigt Hendrix uns hier eine Gesellschaft, die in Puncto Selbstbestimmung der Frau noch meilenweit zurückgeworfen ist und das ist leider nicht weit hergeholt, denn gerade in den Südstaaten ging es in den 80er und 90er noch zu, wie woanders in den tiefsten 50er Jahren. Von wegen Südstaatencharme. Etwas zu schildern, heißt nicht es zu unterstützen Nun steht das Buch aufgrund der Tatsache, dass Hendrix hier eine offen misogyne Gesellschaft porträtiert von mancher Seite aus heftig in Kritik. Ja dem Autor selbst wird vorgeworfen frauenfeindlich zu sein. Diese Kritik finde ich absolut nicht gerechtfertigt, denn nur weil etwas geschildert wird, heißt es nicht, dass es auch unterstützt wird. Mit der gleichen Argumentation könnte man sonst zum Beispiel auch jedes Buch, dass im 2. Weltkrieg spielt pauschal als rassistisch bezeichnen, weil darin Nazis vorkommen. Die Zustände in diesem Roman werden zu keinem Zeitpunkt verherrlicht, im Gegenteil, immer wieder kommt zur Sprache, wie ungerecht sich die Frauen behandelt fühlen und wie unzufrieden sie damit sind. Nun sind sie aber ein Produkt ihrer Zeit, ihrer Erziehung und des ihnen vermittelten Weltbildes und das heißt nun mal auch, dass sie sich auf ihre Art und Weise zur Wehr setzten und nicht so wie es heutige Feministen tun würden und vor allem könnten. Aus unserer heutigen modernen Sicht ist es leicht zu sagen: “Na, warum verlässt sie ihn nicht? Warum protestiert sie nicht mehr? Warum tut sie nicht mehr”, und und und. Tatsächlich schafft es der Autor in meinen Augen einen guten Kompromiss zu finden wie sich die Frauen zur Wehr setzten und das trotzdem im Hinblick auf ihre Situation, der Zeit und den Umständen realistisch bleibt. Wut, Hass, Gänsehaut, hier bekommt man alles Ich möchte nochmal wiederholen: Dieses Buch ist keine angenehme oder leichte Lektüre. Die Gefühlsachterbahn fährt von Wut, über Hass zu Ekel und wieder zurück. Dass dem so ist, liegt auch an Hendrix einnehmendem und sehr atmosphärischen Schreibstil. Er schafft es meisterlich Leser*innen eine Gänsehaut zu bescheren und gerade die unangenehmen Szenen noch abstoßender wirken zu lassen. Wer sich darauf einlässt, wer sich von der bangen Atmosphäre und dem Gefühl einer permanenten Bedrohung gefangen nehmen lässt, dem wird auch nicht langweilig, selbst dort, wo die Handlung ruhiger verläuft. Fazit: Das Buch ist kein wirklicher Horrorroman, sondern vielmehr ein Gesellschaftsroman mit Horrorelementen, wobei der dargestellte (nicht verherrlichte!) Sexismus genauso viele Gruselmomente verursacht, wie der eigentliche Vampir. Dicht und atmosphärisch erzählt entfaltet sich hier ein spannendes Drama, sofern man sich darauf einlässt und nicht von den Erwartungen eines klassischen Horrorromans leiten lässt.

zurück nach oben