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printbookaholic

Posted on 21.8.2021

Ich bin hin und her gerissen, das muss ich wirklich vorweg nehmen. Ich habe den Film „Wolf of Wall Street“ gesehen und mich dadurch viel mit dem Thema beschäftigt. Und ich war sehr gespannt auf dieses Buch. Ich bin nicht enttäuscht, aber der Sprachstil hat mir gar nicht gefallen. Ich habe mich nie wirklich an die derbe Ausdrucksweise bzw die Weise, der permanenten Selbstdarstellung gewöhnen können. Ich weiß, dass es bei den Jungs von der Wall Street der 80er irgendwie dazu gehört, sich selbst am besten zu finden. Der Erfolg gab ihnen immer Recht. Aber ich konnte es nicht wirklich flüssig lesen, ohne immer wieder eine Pause zu brauchen. Natürlich versetzt einen die Erzählweise in die Person, und man weiß, wie exzentrisch und selbst verliebt sie teilweise ins Extreme ist. Aber als Normalo würde man sich mit so einem Menschen entweder gar nicht unterhalten oder nicht lange. Dennoch, und das war auch mein einziger Bewertungsabzug relevante Kritikpunkt, wenn man es so nennen kann, denn andererseits gehört der Stil zum Ausdruck des Buches: Es ist zeitgeschichtlich, biographisch, menschlich und die Wallstreet betreffend interessant und lehrreich. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es nur an mir liegt oder es wirklich zu extrem war. Etwas weniger Beweihräucherung des Selbst hätte dem Charakter keinen Abbruch getan und wäre genauso authentisch gewesen mit einer Prise weniger. Darum habe ich mich entschieden, doch einen Stern abzuziehen. Spoilerfreie Beschreibung: Rooney, unser Protagonist, ist wie Viele, arm dran, hat mit Kunst keinen Erfolg und landet dann an der Wall Street. Als Trader wird er schnell erfolgreich und schon geht die Exzentrik los. Er lebt und lebt sich aus, bis er, wie viele Mitstreiter, fällt. Und dies immer wieder. Es tut einem als Leser leid, auch wenn man manchmal denkt: Mensch, muss das sein? Was machst du, Rooney? Und obwohl man das nächste Straucheln beim Lesen quasi schon kommen sieht, sieht es Rooney in seiner Wall Street Trader Welt nicht. Man kann ihn zwischendrin wirklich nicht leiden oder gar verstehen und im nächsten Kapitel hat man Mitleid und vergibt ihm wieder. Sein Leben scheint reich, aber dennoch arm und man fragt sich, wie lange das noch gut geht. Er ist ein wahres Stehaufmännchen. Die oft persönlichen Ereignisse und Schicksalsschläge fernab der Wall Street, fordern Rooney wirklich alles ab und auch Reichtum hilft ihm dabei nicht weiter. Es geht oft um Sex und Drogen, wie sich jeder Leser denken kann. Fragen an sich selbst und Entscheidungen, die Rooney trifft, hinterfragt man selbst und wünscht sich, er möge sich anders entschieden haben. Alles was Rooney erlebt und denkt, springt in dem Buch in der Zeit. Es wird nicht wie in einem Tagebuch chronologisch erzählt. So beginnt das Buch schon mit einem Rückblick. Insgesamt ist das Buch sehr gefühlsbetont erzählt. Wie schon gesagt, zieht einen genau das immer weiter, denn es ist nicht nur eine oberflächliche Biographie. Und es ist sehr aussagekräftig, auch wenn es sich um ein dünnes Buch handelt. Trotz der manchmal ausschweifenden, sich wiederholenden gefühlsbetonten Reden, ist es trotzdem reichhaltig den Charakter Rooneys betreffend. Jeder Leser wird den Charakter aber anders wahrnehmen, je nachdem wie sehr man sich mit Entscheidungen identifizieren kann, denn es klappt nicht immer nur schwarz oder weiss, Ja oder Nein abzuwägen. Ich kann das Buch jedem ans Herz legen, der wirklich etwas weiter in die Psyche eines Traders aus den 80ern an der Wall Street eintauchen möchte. © printbookaholic Stephanie Jones

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