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Buchdoktor

Posted on 18.8.2021

Ian Goldin und Robert Muggah zeigen mit Landkarten und Luftaufnahmen in Vorher-Nachher-Reihung ein ungewohntes Bild unseres Planeten. Gegenüberstellungen von Aufnahmen mit zeitlichem Abstand können Entwicklungen anschaulich hervorheben. Luftaufnahmen haben für mich den besonderen Reiz, dass sie entlegene und unzugängliche Gegenden in den Focus rücken oder die gewaltige Ausdehnung von Megaregionen abbilden können. Mit 100 Karten und 13 ineinandergreifenden Themen wird so mancher Betrachter aus seiner Komfort-Zone herausgeholt werden. Karten sind nicht neutral, sie zeigen immer nur einen Blickwinkel, betonen die Autoren. Dass der Begriff Covid-19 im Buch recht oft fällt, ist nicht allein dem Erscheinungsjahr des Wälzers geschuldet. Das Ineinandergreifen wie in einem Räderwerk von Globalisierung, Urbanisierung, Klimaveränderungen und menschlicher Unfähigkeit aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, hat zur Verbreitung des Virus nicht unwesentlich beigetragen. Die Pandemie hat Schwächen und Stärken der Globalisierung hervorgehoben (wie die Abhängigkeit von globalen Lieferketten), die uns 2020 nicht mehr neu sein konnten. Ähnlich wie Zahnräder greifen auch Ungleichheit, Unzufriedenheit, Bevölkerungsentwicklung und Migration ineinander oder Klimawandel, Urbanisierung, Verslumung und Kriminalität. Goldin und Muggah vermitteln zusätzlich zur Infografik in umfangreicher Analyse die Lage unseres Planeten. In Wort und Bild stellen sie verbreiteten Legenden und Mythen handfeste Fakten gegenüber. Der Menschheit im Allgemeinen halten sie damit zwar schonungslos den Spiegel entgegen, allein den USA gegenüber scheinen sie etwas unkritisch eingestellt zu sein, wenn gerade in der Gegenüberstellung von Gewalttaten außerhalb von Kriegen die USA als weiße Fläche dargestellt werden (S. 254). Null Schul-Massaker, Polizeigewalt und Unfälle mit Waffen in Privathaushalten in den USA? Düstere Zukunftsaussichten und irrational handelnde Menschen scheint es für das Autorenduo eher außerhalb der USA zu geben. Fazit „Atlas der Zukunft“ ist kein Kartenwerk mit erläuterndem Text. Sein umfangreicher, ausgewogener und kritischer Text lenkt mit anspruchsvollen Fragestellungen den Focus auf unbequeme Fakten zu kontroversen Themen. Im Vergleich zur Qualität des Textes fällt der Bildteil ab durch einige Abbildungen in zu kleinem Maßstab, Unschärfe oder ungeschickte Farbwahl. Für Karten-Fans finde ich den Band daher weniger geeignet und bewerte ihn als „Atlas“ mit guten 4 Sternen.

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