hyperventilea
Neuanfang mit Hindernissen im Alten Land „Sie wandte sich ab. Der Garten, der sich sanft zum Fluss senkte. Die knorrigen Apfelbäume. Der Pavillon am Wasser, ein Schmuckstück. Die überhängende Weide am Ufer. In ihren Augen war es ein Paradies.“ Als Jan, der Mann der Geigerin Felicitas, Fee, ganz unerwartet stirbt, steht diese plötzlich mit vier Kindern alleine da. Dann wird ihr auch noch die Wohnung in Hannover wegen Eigenbedarfs gekündigt und schließlich verliert sie ihren Job als Musiklehrerin, weil sie seit Jans Tod nicht mehr in der Lage ist, ihre Geige zu spielen. Fee beschließt, neu anzufangen und kauft sich vom Erlös der Lebensversicherung ihres Mannes einen Gasthof im Alten Land. Doch leider ist das Anwesen in schlechterem Zustand als angenommen und nicht alle Familienmitglieder leben sich gleichermaßen schnell in der neuen Umgebung ein. Autorin Valerie Pauling schreibt verständlich, meist in klaren, einfachen, mitunter allerdings etwas „abgehakten“ Sätzen. Mir gelang es rasch, einen Bezug zur Geschichte zu entwickeln und mich in das Geschehen hineinzuversetzen. Fee steckt tief in der Krise. Sie muss sich um vier Kinder im Alter von fünf bis sechzehn Jahren kümmern und hat außer ihrer besten Freundin Viola, die in Afrika lebt und arbeitet, keine engen Vertrauten. Seit ihr Mann starb, während sie auf einem Konzert Geige spielte, kann sie ihr früher so geliebtes Instrument nicht mehr anfassen. Sie ist in ihrer Trauer gefangen, scheint wie gelähmt. Zunächst blieb ich ihr gegenüber etwas distanziert, konnte sie wegen ihrer Verschlossenheit schwer einschätzen. Doch im Laufe der Geschichte litt ich immer mehr mit ihr, hoffte für sie, dass ihre lange Pechsträhne ein Ende findet. Fees vier Kinder sind völlig unterschiedliche Charaktere. Golo, der Jüngste, ist offen, schließt schnell Freundschaften, seine Schwester Martha wirkt ein bisschen „nerdig“, interessiert sich mehr für Tiere als für Menschen. Rieke, die Zweitälteste, ist sehr umtriebig, aktiv, engagiert und steckt voller Ideen. Rasmus, der Älteste, hat überhaupt keine Ahnung davon, was er wirklich möchte und was nicht. Die Figuren erfüllen einige Klischees, wirken eher stereotyp als tiefgründig, sind aber durchaus nachvollziehbar gezeichnet. „Der Himmel ist hier weiter als anderswo“ ist für mich ein Eskapismus-Roman. Einige Parallelen finden sich zu den Romanen von Jenny Colgan, die für das Genre steht wie kaum eine andere Autorin. Auch bei Colgan verlassen Städterinnen ihre Heimatstadt nach einem Schicksalsschlag, um auf dem Land ihr Leben komplett umzukrempeln. Fee wagt ebenfalls den Neuanfang, ist aber anfangs innerlich noch nicht richtig bereit dazu. Im Laufe der Handlung hat sie mit zahllosen Widrigkeiten zu kämpfen, da kommt einiges zusammen. Stark erinnert der Plot auch an Jojo Moyes Roman „Der Klang des Herzens“. Bei Moyes entscheidet sich eine frisch verwitwete Geigerin, die ihr Instrument nicht mehr spielen kann, mit ihrer Familie für den Umzug in ein baufälliges Haus auf dem Land. Moyes Roman hat mich emotional aber etwas mehr mitgerissen und berührt, macht insgesamt ein „bisschen mehr her“. Auch wenn Paulings Geschichte an einigen Stellen mehr Tiefe vertragen hätte - ich hätte mir beispielsweise intensivere und substanziellere Gespräche zwischen Fee und ihren Kindern gewünscht- hat mich der Roman insgesamt unterhalten und ich habe ihn über weite Strecken gerne gelesen. Am Ende fügt sich nach all den Verwirrungen und Komplikationen alles recht schnell. Die Vorstellung, dass Landleben wie Medizin heilend auf die Seele wirken kann und dass es durchaus die Möglichkeit gibt, auch mitten im Leben neu anzufangen, hat mir gefallen und gutgetan. Unterm Strich ein leichter, solider, kurzweiliger Eskapismus-Roman über einen Neuanfang mit einigen Hindernissen und Herausforderungen, der vom Landleben träumen lässt.