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„...Der Abt hob den Kopf und begegnete den Blick des Jungen und was er darin las, bestürzte ihn noch mehr. Es war nicht länger Hass, sondern Verachtung...“ Es sollte die letzte Begegnung zwischen Richard Artzt und dem Abt sein. Der 12jährige Richard verlässt das Kloster, um fortan bei seinem Onkel Jakob und seiner Tante Sybille zu leben. Richard gehörte zu den begabtesten Schülern des Klosters. Doch der Abt weiß, wann er verloren hat. Es war die Angst, die ihn und die Mönche davon abhielt, die Verbrennung von Richards Mutter als Hexe zu verhindern. In Augsburg lernt Richard eine ganz andere Welt kennen. Jakob Fugger ist gerade dabei, sich ein Imperium als Kaufmann aufzubauen. Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Darin erfahre ich einerseits, wie der Beginn des Aufstiegs der Familie Fugger war, andererseits werden vielfältige historische Ereignisse mit einbezogen. Ich darf mit Richard nach Florenz, Venedig und Rom reisen, erlebe den Aufstieg des Mönchs Savonarola, eine Papstwahl und den Besuch von Kaiser Maximilian in Augsburg. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er unterstützt an machen Stellen die rasante Handlung und lässt in anderen Situationen Raum für informative Teile oder tiefgehende Gespräche. Im Hause Fugger findet sich Richard schnell zurecht. Er bleibt zurückhaltend, doch Jakob erkennt bald seine Begabungen. Richard ist ein guter Beobachter. So wird er seinen Onkel eines Tages sagen: „...Ihr gebraucht alle Menschen wie die fahrenden Puppenspieler...“ Als Jakob seine Nichte mit einem jungen Ungarn verheiratet, begründet er das so: „...Ehen mussten von klügeren Köpfen ausgeheckt werden, als junge Mädchen sie besaßen, und waren schließlich ein Bündnis zweier Familien und nicht eine Gefühlsangelegenheit...“ Obwohl Richard und Jakob nicht direkt verwandt sind, sind sie in meinen Augen Verwandte im Geist. Auch Richard lernt im Laufe der Zeit, wie er Menschen manipulieren und für seine Zwecke einsetzen kann. Außerdem zeichnet er sich durch einen guten Geschäftssinn und ein logisches Durchdenken gesellschaftlicher und politischer Zusammenhänge aus. Er ist vorurteilsfrei und zeichnet sich durch hohe Empathie aus. Richard hat eine besondere Vision, die ihm durch den Tod seiner Mutter geworden ist. Er möchte beweisen, dass es keine Hexen gibt, stößt dabei aber immer wieder an Grenzen. So kann er nicht verstehen, dass sich Menschen selbst als Hexen bezeichnen. In Florenz trifft Richard den Mönch Frau Mario. Nach einer Zeit der Skepsis aufeinander entwickelt sich ein tiefgehende Freundschaft. Marios folgenden rAt finde ich auch heute noch interessant: „...Sperre alle deine Sorgen in eine große schwarze Truhe und verliere den Schlüssel...“ Wenn es nur so einfach wäre! Der Autorin gelingt es immer wieder, ihre Protagonisten durch deren Handlungen und nicht nur durch Worte zu charakterisieren. Das betrifft auch historische Gestalten. So äußert Cesare Borgia in Florenz über Savonarola gegenüber Lorenzo d`Medici: „...Ihr müsst doch wissen, dass der Mönch dort eine Gefahr für Euch darstellt. Gefahren muss man so schnell wie möglich im Keim ersticken...“ Zu den sprachlichen und inhaltlichen Höhepunkten gehören die gut ausgearbeiteten Gespräche, sei es zwischen Jakob und Richard oder Fra Mario und Richard. Sie geben nicht nur Einblick in die gesellschaftlichen Zusammenhänge, sondern auch in die Gefühlswelt der Protagonisten. Als wieder einmal das Thema Hexen im Mittelpunkt steht, kommt Mario auf den Kern des Geschehens. Es geht nicht um Hexen oder nicht Hexen. Es geht allein darum, dass die Menschen einen Sündenbock brauchen, wenn ihnen die logischen Erklärungen fehlen. Von Orsini wird Richard gefragt, wie man in seiner Heimat mit der Blutrache umgeht. Die Antwort lautet: „...Man bringt sich nicht gegenseitig um, sondern ruiniert einander das Geschäft...“ Es gäbe noch viele Facetten der Geschichte, die erwähnenswert wären. Das würde aber den Rahmen der Rezension sprengen. Ein inhaltsreichen Nachwort schließt den Roman ab. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ein Sprichwort daraus soll meine Rezension abschließen: „...Das einzige, was schlimmer ist, als Gegenstand aller Gespräche zu sein, ist, wenn überhaupt nicht über einen geredet wird...“