naraya
Ein Bruder muss hilflos zusehen, wie seine Schwester sich im Netz mit der Regierung anlegt und dafür festgenommen wird. Eine Frau wandert mit großen Träumen nach Shanghai aus, landet dann aber als Verkäuferin in einem Blumenladen. Eine andere will ihren Vater besuchen und verpasst gerade so die U-Bahn. „Na, dann warte ich eben auf die nächste“, denkt sie sich. Doch es kommt keine mehr, sie ist gestrandet. Das sind nur drei Beispiele von insgesamt 10 Erzählungen, die Te-Ping Chen in ihrem Debütband „Ist es nicht schön hier“ versammelt. Jede einzelne von ihnen greift eine Facette des Lebens in China auf oder behandelt das Leben im „Exil“. Erzählt wird in einer einfachen und klaren Sprache, aber mit einem guten Blick für Details und das menschliche Verhalten. Es geht dabei sowohl um Alltägliches, als auch um außergewöhnliche Ereignisse, um Tradition auf der einen und modernes, hoch technisiertes Leben auf der anderen Seite. Manche Geschichten erscheinen typisch chinesisch, viele jedoch beschreiben universelle menschliche Erfahrungen. Auch die Themen sind ganz unterschiedlicher Natur. Mal beleuchtet die Autorin Beziehungen – eine internationale Partnerschaft zum Beispiel oder eine Frau, die sich nach dem Tod ihres Mannes auf Spurensuche in dessen Heimat China begibt. Aber auch Politisches wird angesprochen, wie etwa die eingangs erwähnte Geschichte von Bruder und Schwester und der Bau einer Flugmaschine endet mit einer geradezu philosophischen Lehre. Besonders beeindruckt haben mich zwei Erzählungen: Ein Mann sitzt im Gefängnis und berichtet im Rückblick von dem Verbrechen, das er begangen hat; hier beweist die Autorin, dass sie die unterschiedlichsten Genres beherrscht, denn im Prinzip haben wir hier einen Kurzkrimi. Skurril, aber umso beeindruckender ist schließlich die abschließende Geschichte über eine Gruppe Personen, die in einer U-Bahn-Station strandet und dort quasi eine kleine Stadt errichtet, herrlich! Von dieser Autorin möchte ich unbedingt mehr lesen!