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mabuerele

Posted on 14.8.2021

„...Nur weil Sie früher einen Gutshof hatten, brauchen sie ihr Näschen nicht so hoch zu tragen. Bei mir wird fleißig gearbeitet. Und das gilt auch für Sie...“ Dora kann machen, was sie will. Frau Stübeck wird nie zufrieden sein. Nach dem Krieg war sie bei der Bäuerin mit ihren Eltern und Geschwistern eingewiesen worden. Mittlerweile schreiben wir 1953. An ihren Lebensverhältnissen hat sich nichts geändert. Doch die 28jährige Dora will mehr als Hilfskraft auf einem Bauernhof. Deshalb hat sie sich bei verschiedenen Hochschulen um ein Studium der Tiermedizin beworben. Bis auf die Humboldt – Universität in Ostberlin gab es nur Absagen. Als Dora durch das Rote Kreuz erfährt, dass Curts letzte Adresse Berlin war, ist es für sie klar. Sie wird zum Vorstellungsgespräch gehen. Entgegen kommt ihr, dass ihr Bruder Erich in Berlin wohnt und dort verheiratet ist. Die Autorin hat einen spannenden Roman geschrieben. Die eingebundenen historischen Ereignisse zeugen von akribischer Recherche. Der Schriftstil ist ausgefeilt und abwechslungsreich. In Berlin lernt Dora beide Teile der Stadt und damit auch die Unterschiede in der Versorgung kennen. Deutlich wird, dass Dora bisher wenig über das Leben in der DDR wusste. Sie freut sich, als Frau studieren zu dürfen, ein Stipendium zu erhalten und für ihre Ziehtochter Clara einen Hortplatz. Die politische Seite ist im Wesentlichen an ihr vorbeigegangen. Genau dazu aber wird sie in der Aufnahmeprüfung gefragt. Erst reagiert sie geschickt, dann aber geht ihr Temperament mit ihr durch. Als Gutsherrentochter abgestempelt zu werden, lässt sie sich nicht gefallen. Trotzdem bekommt sie die Stelle. Einer der Professor honoriert ihren Mut. „...“Mein Vater war kein Ausbeuter!“, fiel Dora dem Professor ins Wort. „Nur weil mein Vater einen Gutshof besaß, war er kein schlechter Mensch!“...“ Dora und Clara kommen im Haus von Erichs Schwiegereltern in Ostberlin unter. Schnell wird Dora mit der prekären Versorgungslage konfrontiert. Die Unzufriedenheit in der Stadt wächst. Auch unter den Studenten kursieren Aufrufe für mehr Freiheit. Selbst Erichs Schwiegermutter wagt es einmal, ihrem Mann Widerworte zu geben. „...Tulpen sehen ja ganz hübsch aus, lieber Heinz, aber leider kann man sie nicht essen...“ Währenddessen erfährt Dora, dass Curt inhaftiert wurde, weil er mit dem Naziregime zusammen gearbeitet haben soll. Im Juni 1953 beteiligt sich Dora aktiv an den Demonstrationen. Ihr gelingt im letzten Moment die Flucht über die Grenze nach Westberlin. Dort aber wartet das nächste Problem auf sie. Dieses mal ist es nicht die Politik, die sie unter Druck setzt, sondern eine missgünstige Nachbarin, die der Meinung ist, dass Clara nicht richtig betreut wird. Stalins Tod und das Wunder von Bern sind weitere Themen, die die Handlung tangieren. Die Geschichte zeichnet ein gekonntes Gemälde der damaligen Zeit. Dabei wird nicht nur das Leben in Ost- und Westberlin dargestellt, sondern es dürfen auch unterschiedliche Meinungen aufeinander prallen. Währen im Osten die Unzufriedenheit der Arbeiter und Studenten, die privilegierte Stellung mancher Parteifunktionäre und deren Widerspruch zwischen Wort und Tat eine Rolle spielen, ist es im Westen für junge Frauen schwierig, ihren eigenen Weg zu gehen. Hinzu kommt, dass insbesondere auf dem Land die Flüchtlinge nur geduldet sind. Ab und an wechselt das Geschehen zu Doras umfangreicher Familie und dem Leben ihrer Geschwister. Es wird einige Zeit vergehen, bis Dora und Curt zueinander finden und endlich eine Heimat finden. Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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