julemaus94
Zu unbedarft Ich gebe zu, wenn ich mich plötzlich in der aufsteigenden Wirtschaftsmacht China wiederfinden würde, wäre ich wohl ähnlich aufgeschmissen wie unser Protagonist Alex. Der junge Jude ist aus den USA nach Foshan gekommen, um seinen Vater in der familieneigenen Schuhfabrik zu unterstützen und die Fabrik auf lange Sicht zu übernehmen. Allerdings sieht er sich schnell mit der chinesischen Politik konfrontiert und versucht, dieses ihm so fremde Land mithilfe der jungen Arbeiterin Ivy zu verstehen. Grundsätzlich fand ich das Setting unheimlich interessant und erfrischend neu. Das heutige China mit seinen Gegensätzen von Kultur, Glaube und Politik durch die Augen eines amerikanischen Juden zu erleben hat etwas seltsam verqueres. Die Geschichte setzt sich aus den Erinnerungsfetzen der beiden Hauptfiguren ebenso zusammen wie aus den aktuellen Geschehnissen in der Fabrik. Aber ich glaube, dass gerade diese Gegensätze und Risse in der Erzählung dazu führen, dass der rote Faden des Ganzen nur schwer zu erkennen ist. Es ist zudem kaum ersichtlich, worauf die Erzählung überhaupt hinaus will. Was will uns Spencer Wise mit diesen manchmal fast schon plakativen Schnipseln, die vor allem der männliche Protagonist so von sich gibt, eigentlich sagen? Und auch die Figuren können mich nicht wirklich überzeugen: Alex ist deutlich zu naiv und unbedarft geblieben, eine charakterliche Entwicklung ist kaum erkennbar. Nachdem er sich aus den Fängen des übertrieben egozentrischen Vaters befreit hat, bleibt er gleich darauf am Rockzipfel der undurchschaubaren Ivy hängen. Die chinesischen Nebenfiguren bleiben leider zu blass, mal abgesehen davon, dass sie sich kaum voneinander unterscheiden. Insgesamt liefert das Buch einige interessante Einblicke in eine mir fremde Kultur, kann mich aber insgesamt nicht überzeugen.