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Tom Monderath ist nicht begeistert, als sich immer mehr herausstellt, dass seine Mutter Greta immer mehr der Demenz anheimfällt. Er hat doch als bekannter Nachrichtenmoderator gar keine Zeit sich um seine Mutter zu kümmern. Nach und nach stellt sich heraus, dass Greta in ihrem Leben viel verschwiegen hat. Aus der Zeit kurz nach dem Krieg hat sie nie erzählt und jetzt stellt sich heraus, dass Gretas Depressionen, die sie lange gequält haben, einen handfesten Grund hatten. Das Buch wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Anfangs geht es mehr um Greta, ihr Leben im Krieg in Ostpreußen und ihre Erlebnisse nach der Flucht in den jungen Jahren der Bundesrepublik. Dort lernt sie bald Bobby kennen, einen jungen schwarzen Soldaten, und verliebt sich in ihn. Doch es kommt, was kommen muss, das Schicksal schlägt zu und Greta bleibt alleine mit einem kleinen Kind zurück. Hier kommt das Schicksal der sogenannten Brown Babys ins Spiel. Diese Seite der Geschichte kannte ich noch nicht. Schrecklich, wie damals einfach über die Köpfe der Beteiligten hinweg entschieden wurde, alles immer vermeintlich zum Besten der Beteiligten. Stay away from Gretchen zeigt die Verlogenheit der deutschen Gesellschaft nach dem Krieg recht deutlich auf. Frauen, die sich mit den Besatzern einließen, hatten die ganze Schande zu tragen, die Vorteile, die diese Beziehungen gebracht haben, haben aber alle gerne mitgenommen. Hauptsache man spricht nicht darüber. Mich hat das Buch sehr mitgenommen, Gretas Schicksal ist mir sehr nahegegangen. Tom dagegen fand ich fast durchgehend unerträglich arrogant und ich-bezogen. An viele Ecken war er nur schwer zu ertragen. Aber gerade hier zeigt sich wohl das, was man auch generationenübergreifende Traumata nennt. Tom ist Bindungsunfähig, da seine Mutter nach den Erlebnissen nie wieder jemanden richtig an sich herangelassen hat, um nicht noch einmal jemand geliebten zu verlieren. Das Thema Demenz und die Auswirkungen auf den Alltag einer Familie haben auch einen gewichtigen Anteil an diesem Buch. Greta lässt mit fortschreitender Demenz auch immer mehr hinter ihre Mauern schauen und überrascht ihren Sohn. Und auch die Flüchtlingskrise und die Parallelen zu dem, was hier nach dem letzten Krieg passiert ist, spielen eine große Rolle. Tom berichtet immer wieder aus dem Umfeld der Kanzlerin und die Geschichte in der Gegenwart spielt im 2015, genau zum Höhepunkt der Krise. Dieses Buch ist definitiv eines meiner Jahreshighlights, ich bin schon lange nicht mehr so berührt und mitgenommen worden. Der Autorin gelingt es ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite mitzunehmen und dabei ganz viel unterschiedliche Themen zu beleuchten. Von mir daher eine unbedingte Leseempfehlung!