Susanne Matiaschek
Storys über Stalking treffen definitiv immer meinen Nerv. Umso mehr hab ich mich auf dieses Buch gefreut, da es wirklich alles erfüllt hat, was ich mir erhofft habe. Doch kann dieser Psychothriller auch auf lange Sicht diesen Erwartungen standhalten? Der Schreibstil der Autorin, war am Anfang etwas anstrengend für mich. Schwer, drückend und trotzdem ist es für diese Art von Story genau richtig. Der Einstieg fiel mir zunächst auch gar nicht mal so leicht. Man wurde gleich mit drei Perspektiven konfrontiert und zugleich mit so vielen Informationen gefüttert. Das war mir anfangs etwas zuviel. Zudem war der Spannungsbogen extrem niedrig. Erst als ich mir selbst ein Bild von den Charakteren machen konnte, konnte es mich mitreißen und warum auch immer, ich kam nicht mehr weg von der Story. Im Fokus hierbei stehen Lester, Erin und Rhys. Drei Charaktere, die erstmal überhaupt nicht zusammenpassen. Sarah Nisi gibt Ihnen jedoch sehr viel Raum zur Entfaltung. Sie seziert sie regelrecht und trotzdem lässt sie noch viel Raum für weitere Geheimnisse und Überraschungen. Emotional gesehen, konnten mich die Charaktere leider fast gar nicht erreichen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht trotzdem die komplette Gefühlspalette durchlebt habe. Bei dieser Art von Geschichten ist es nicht in erster Linie wichtig, dass die Charaktere emotional so extrem heraustreten. Viel wichtiger ist, was sich in Ihnen bewegt. Wie sehr sie getrieben sind. Worauf ihr eigentlicher Fokus liegt. Und glaubt mir, hier gibt es eine Menge Aggressionen, Wut und zugleich Trauer, Angst und Verzweiflung. Zudem sind sie alles andere als perfekt. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, was im Laufe des Geschehen immer mehr ersichtlich wird. Am meisten Sympathiepunkte konnte definitiv Rhys bei mir machen, weil er einfach echt war und Gefühle gezeigt und zugelassen hat. Erin und Lester dagegen blieben mir bis zum Schluss leider seltsam fremd. Ich konnte einfach keine Bindung zu Ihnen aufbauen, was extrem schade ist. Weil diese große Ganze dahinter schon sehr tragend und gewaltig ist. Es mag vielleicht auch daran liegen, das beide schon etwas abgestumpft sind und das einfach ihrer Persönlichkeit entspricht. Interessant und faszinierend war hier tatsächlich der “Täter”. Seltsam ruhig und koordiniert und trotzdem erschien er mir so weich und belanglos. Fast nimmt man ihm diese Obsession nicht ab. Stuft ihn nicht als gefährlich ein. Aber genau das ist das trügerische an der ganzen Sache. Du siehst die Gefahr nicht kommen. Bis sie dich physisch und psychisch komplett zerstört. Und das zelebriert sich hier etappenweise und gleich auf mehreren Ebenen. Die Autorin braucht dafür keine rasante oder adrenalingeladene Handlung. Sie punktet mit einer unterschwelligen Spannung ,die sich durch eine gespenstische und doch sehr intensive Ruhe auszeichnet. Denn die Stille zermürbt dich immer mehr. Dabei pflegt sie gekonnt auch die Hintergründe ein, die oftmals aber sehr belanglos erscheinen. Hierbei hättet ich mir auch eine klare Benennung der Zeitebenen gewünscht. Der Riesenknall kommt aber erst im letzten Drittel zum Vorschein. Dieser Twist ist so gezielt und genial platziert, dass einem die Spucke wegbleibt. Die Idee dahinter ist wirklich extrem gut und gerade die Art, wie es ausgearbeitet wurde, hat mir extrem gut gefallen. Zudem zeigt die Autorin ,was Ereignisse aus Menschen machen können. Wie sie immer mehr ins Bodenlose fallen und sich letztendlich daraus nicht mehr lösen können. Auch wenn dieser Thriller jetzt nicht extrem eingeschlagen hat, so gelang es der Autorin doch, mich extrem zu überraschen und definitiv sprachlos zu machen. Rückblickend hat mir jedoch noch etwas mehr Intensität, Leben und Fülle gefehlt. Dafür zeigt sie sehr gut, wie beklemmend und zutiefst beängstigend es ist, mit so einer Obsession konfrontiert zu werden. Ganz gleich ob Opfer oder Täter. Denn hier schwinden die Grenzen dessen zusehends und man erreicht einen völlig neuen Höhepunkt,den man so definitiv nicht erwarten würde. Fazit: Sarah Nisi hat mit ihrem Debüt einen sehr beklemmenden und zutiefst beängstigenden, als auch verstörenden Thriller zu Papier gebracht, in dem die Grenzen der Obsession zusehends schwinden. Noch mehr Emotionen, Intensität und einfach Leben ,hätte diesen Psychothriller noch zu etwas viel Höherem katapultiert. Nichtsdestotrotz konnte mich diese Story absolut fesseln und letztendlich auch überzeugen. Denn die Autorin überrascht auf ganzer Ebene und letztendlich muss man selbst entscheiden, was richtig und was falsch ist.