mabuerele
„...Die Federn des Papageien schimmerten in den Farben des Regenbogens. Sie hatte Glück, ihn in dem Moment zu erwischen, als er die grüne Flügel ausbreitete...“ Wir schreiben das Jahr 1876. In der Hamburger Kaufmannsfamilie Ohlendorf ist Onkel Georg zu Besuch. Er ist von seiner Exkursion nach Australien zurückgekehrt. Auguste, die ältere Tochter, ist fasziniert von seinem Reisebericht. Kurze Zeit später erlebt Auguste, dass der Mann, den sie liebt, um die Hand ihrer jüngeren Schwester anhält. Auguste zwingt ihr Eltern, sie mit Onkel Georg nach Australien reisen zu lassen. Dann wechselt die Geschichte in die Gegenwart. Franziska hatte mit ihrer Großtante die Geschichte einer Farm recherchiert. Doch seit die Großtante verstorben ist, ruht das Projekt. Außerdem wächst Franziskas Eifersucht gegenüber Riley. Dessen Vater managt die Farm, die Franziska von ihrer Großtante geerbt hat, während Franziska Wirtschaftswissenschaft studiert. Die Autorin hat einen fesselnden Roman geschrieben, der in zwei Zeitetappen spielt. Zum einen darf ich Auguste auf ihrer Forschungsreise begleiten, zum anderen lerne ich durch Franziska einige der heutigen Probleme in Australien kennen. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Mit passenden Metaphern werden Flora und Fauna beschrieben, wie das Eingangszitat zeigt. Der Papagei wird von Franziska fotografiert. Die Expedition des Jahres 1876 leitet Professor Leichhardt. Neben seinem Assistent nehmen die Forscherin Dorothea Aurich und Auguste teil Onkel Georg ist erkrankt, hat aber Auguste gebeten, trotzdem den Professor zu begleiten. Das verwundert auf den ersten Blick, denn Georg erweist sich an vielen Stellen als recht konservativ. Allerdings scheint er zu ahnen, was Professor Leichhardt vor hat. Auguste ist in keiner Weise darauf vorbereitet, was sie erwartet. Ihre Begeisterung für die Forschungsreise war ziemlich blauäugig. In ihrem Expeditionstagebuch klingt das so: „...Ich weiß nicht einmal mehr, was ich mir in Hamburg gedacht habe, wie eine Expedition verläuft. Inzwischen hasse ich alles. Dieser ständige Blutgeruch, dieses dauernde Knallen, wenn Lennsing und Dalman wieder ein unschuldiges Tier töten, nur damit die Menschen in Deutschland etwas zu sehen bekommen...“ Ihr fehlt zudem fachliches Wissen. Und das lassen sie die Teilnehmer spüren. Dafür allerdings hat sie sich ihre Menschlichkeit bewahrt. Das wird zum Problem, denn die anderen betrachten die Ureinwohner nicht als Menschen. Auguste ahnt noch nicht, dass sie bald auf die Hilfe der Ureinwohnern angewiesen sein wird. Im Strang der Gegenwart ist es vor allem Franziskas innere Zerrissenheit, die für spannende Momente sorgt. Sie hat den Verrat ihrer Schwester nie richtig aufgearbeitet und vergleicht nun jeden Mann mit ihrem ehemaligen Verlobten. Daran droht die Beziehung zu Riley zu zerbrechen. Der bleibt lange Zeit erstaunlich gelassen. Er rät ihr zu einer Reise nach Deutschland, um sich der Vergangenheit zu stellen. Dort trifft sie ihre Freundin Caro, die den Finger in die Wunde legt und ihr, um es anders auszudrücken, den Kopf wäscht. Das Ergebnis der Reise aber hat keine Entscheidung gebracht. Da lädt Sam Franziska ein, mit den Frauen auf einen Workabout zu gehen. In beiden Zeitebenen werden die Wanderungen gut beschrieben. Gleichzeitig wird das Leben der Ureinwohner nachvollziehbar. In der Gegenwart wird es dann auch in Gesprächen zwischen Franziska und Tara aufgearbeitet. „...“Wenn Weiße durch Bergbau oder Straßen unsere heiligen Orte zerstört haben, ziehen wir in eine Stadt der Weißen.“ „Warum bleibt ihr nicht dort?“ „Wir können es nicht ertragen, den zerstörten Ort weiter zu sehen. „...“ Tara erläutert auch, warum viele mit den Leben in der Stadt nicht zurecht kommen. Die zerstörte Kultur führt zu zerstörter Identität. Und Taras Ratschläge werden für Franziska wertvoll. Einer davon lautet: „...Versteht ihr Weißen nicht, dass Vertrauen ein Geschenk ist? Du gibst es ihm freiwillig oder gar nicht...“ Tara führt Franziska zu einem Vermächtnis von Auguste. Vergangenheit und Gegenwart begegnen sich. Ein Glossar und ein aussagekräftiges Nachwort ergänzen das Buch. Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie ist nicht nur spannend, sondern auch tiefgründig.