mabuerele
„…Wir haben versucht zu kämpfen, aber gegen Heuschrecken kann man sich nicht verteidigen…“ Wir schreiben das Jahr 1870. Wah-bo-sehns, eine junge Frau vom Stamme der Absarokee, trauert um ihren Mann. Er starb an einer Krankheit des weißen Mannes. Sie hofft, dass ihr Baby den Winter überlebt. Die Kälte und der Hunger haben schon viele Opfer gefordert. In der Nacht wird das Dorf von den Lakota überfallen. Wah-bo-sehns gelingt es, mit ihrem Kind in den Wald zu fliehen. Doch Tschetan, ein Krieger der Lakota, überwältigt sie und nimmt sie mit ihrem Kind mit. Der Spott und die Sticheleien seiner Freunde festigen in ihm den Entschluss, Wah-bo-sehns zu heiraten und ihr Kind als seine Tochter zu adoptieren. Zehn Jahre darf ich als Leser Wah-bo-sehns und Tschetan, den Falken, in ihrem Leben begleiten. Ich lerne ihre Jagdgründe und ihre Sommer- und Winterquartiere kennen und folge ihnen auf ihrer Flucht nach Kanada. In eindrucksvollen Worten hat die Autorin das Leben der Indianer beschrieben. Es gibt Zeiten des Friedens, wo Büffeljagd und Nahrungssuche im Mittelpunkt steht. Die Frauen fertigen schön bestickte Kleidung an. Das Dorf und Landschaft sind so genau mit Worten gezeichnet, dass ich sofort ein Bild im Kopf hatte. Als die Indianer auf einem ihren Streifzüge Jenny finden, die auf den Weg zu ihrem Vater war und in eine Schlucht stürzte, nehmen sie das Kind mit. Auch sie wird adoptiert und wie die anderen Kinder erzogen. Hitschikyata, der Gefährte des Heilers, lernt von ihr Englisch sowie Lesen und Schreiben. Die Kämpfe der verschiedenen Stämme werden nicht verschwiegen. Die Männer wollen sich beweisen und sich den Namen eines Kriegers erarbeiten. Frauen und Kinder werden dabei geraubt und in den eigenen Stamm eingegliedert. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Frauen der vielen Kämpfe müde sind. Doch es droht eine weit größere Gefahr. Auf dem Territorium der Indianer wurde Gold gefunden. Weiße Siedler und Goldsucher beanspruchen das Land. Die Schlacht am Little- Bighorn-Fluss bringt den Indianern nicht nur den letzten Sieg, sondern ermuntert die Armee zu gnadenloser Jagd. Die Autorin versteht es, die Grausamkeit der Armee in wenigen, aber einprägsamen Worten zu skizzieren. Trotzdem gibt es noch Zeiten des Alltags. Speziell die Frauen bemühen sich, das normale Leben aufrecht zu erhalten. Die Spiele der Kinder, die kleinen täglichen Freuden, Geburt und Tod prägen das Leben, auch wenn es immer schwieriger wird, genügend Nahrung zu finden. Eingebettet in die Geschichte sind viele Sagen und Legenden der Indianer. Sie ermöglichen mir, Einblicke in die Gedankenwelt und die Religion der Lakota zu bekommen. Es gibt viele besondere Stellen, die das Buch zu einem beeindruckenden historischen Roman machen und dem Volk der Sioux eine Denkmal mit Worten setzen. So hatten die Frauen weit mehr Rechte als ihre weißen Geschlechtsgenossinnen zur gleichen Zeit. Beeindruckt war ich von der Wahl des Häuptlings. Es zählte weder Macht noch Reichtum. Wichtig war allein die Fähigkeit, das Volk durch die Wirren der Zeit führen zu können. Keiner spielte sich in den Vordergrund. Der Schriftstil des Buches zeichnet sich durch die gekonnte Verwendung von Metaphern aus. Außerdem werden Emotionen behutsam, aber eindringlich wiedergegeben. Das führte dazu, dass ich beim Lesen das Gefühl hatte, dabei zu sein. Manche Stellen brachten mich zum Schmunzeln, an anderen ließen sich die Tränen nicht zurückhalten. Wut, Schmerz, Trauer, Freude wirken stets authentisch. Das Buch lässt sich zügig lesen. Dabei ist es kein Widerspruch, dass es Sätze gab, die ich zweimal gelesen habe, einfach weil ich darüber nachdenken wollte und weil mir die Wortwahl und ihre Aussage besonders nahe gingen. Obiges Zitat ist die bittere Erkenntnis eines Indianers, die sie dazu verleitete, nach alternativen Lebensorten zu suchen. Eine Karte, einen Auflistung historischer Personen, das ergänzende Nachwort und Hinweise auf Organisationen, die die Indianer wieder bei der Rückkehr zu ihren Traditionen und Wurzeln unterstützen, ergänzen das Buch. Das Cover mit der jungen Frau, die mich mit einem eindringlichen Blick anzuschauen scheint, passt zum Inhalt des Buches. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ich hoffe, das konnte ich mit meiner Rezension vermitteln.