Dreamworx
Straßburg unter französischer Herrschaft 1918 Straßburg. Der Erste Weltkrieg ist beendet, die Franzosen sind die neuen Herrscher über Straßburg. Auch gibt es nur noch eine Patisserie der ehemals feindlich gesinnten Konkurrenten Tritschler und Picard am Münsterplatz. Die Franzosen greifen bei der deutschen Bevölkerung durch, vertreiben viele aus ihren Häusern, die fast ihr gesamtes Hab und Gut zurücklassen und mit ihren Freunden brechen müssen, um dann mit wenigen Habseligkeiten nach Deutschland zurückzukehren. Idas Nichte Ruth hat die Leidenschaft für süße Köstlichkeiten geerbt und strebt danach, der Patisserie neuen Glanz zu verleihen und die Menschen mit Leckereien zu verwöhnen. Der von der Front heimgekehrte und traumatisierte Marcel, Adoptivsohn von Ida und Lucien, lässt Ruths Herz höher schlagen, denn sie hat schon immer insgeheim für den Bäckermeister geschwärmt. Aber auch andere Familienmitglieder haben gesundheitlich unter den Folgen des Krieges gelitten. Sowohl die Picards als auch die Tritschlers müssen einiges bewältigen, denn nicht nur die Spanische Grippe stellt sie vor neue Herausforderungen, sondern auch innerfamiliäre Zwistigkeiten… Unter dem Namen Charlotte Jacobi hat das Autorenduo mit „Die Patisserie am Münsterplatz-Schicksalsjahre“ den zweiten Teil ihrer historischen Patisserie-Trilogie vorgelegt, der ebenso unterhaltsam wie informativ wie der Vorgängerband ist. Der farbenfrohe, flüssige Erzählstil lädt erneut zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ein, so dass der Leser sich in einem Straßburg nun unter französischer Herrschaft wiederfindet und die Stadtbewohner vor große Veränderungen und Herausforderungen stellt. Auch die deutschstämmigen Tritschlers sind davon betroffen. Die Autoren haben gute historische Recherche betrieben, die sie mit ihrer Handlung geschickt verwoben haben. Wurden im ersten Teil der Trilogie die Franzosen vor die Wahl gestellt, ihre Identität anzugeben oder ohne ihr Hab und Gut nach Frankreich überzusiedeln, so ergeht es nun den Deutschen ebenso, denn die Franzosen zahlen nach Übernahme von Elsass-Lothringen mit der gleichen Münze zurück. Der Krieg hat noch nicht genug Menschenleben gefordert, da steht auch schon die Spanische Grippe vor der Tür, die vor nichts und niemandem halt macht und die Menschen regelrecht dahinrafft, auch die Picards sind davon betroffen. Der Neustart der Patisserie wird durch Ruth und die Rückkehr von Marcel eingeläutet, die Gerüche von Süßwaren, Kaffee und anderer Köstlichkeiten umweht die Nase des Lesers während der Lektüre, der sich einen Platz in der Patisserie gesichert hat und sich gut vorstellen kann, wie sehr die Menschen nach Jahren der Entbehrung nach etwas Schönem regelrecht lechzen. Lebendig ins Bild gesetzte Charaktere mit realistischen Eigenschaften lassen den Leser sehr nahe an sich heran, so dass dieser ihre Gedanken- und Gefühlswelt mit ihnen teilt, mitleidet und fiebert. Ruth ähnelt ihrer Tante Ida sehr, denn sie ist offen, hilfsbereit und freundlich, aber auch innovativ und fleißig. Marcel ist durch die Kriegserlebnisse traumatisiert und braucht einige Zeit, sich im normalen Leben wiederzufinden. Er ist ein guter Bäckermeister, der gemeinsam mit Ruth viel erreichen könnte, um der Patisserie neuen Glanz zu verleihen. Ebenso spielen Jacques, Paul, Ida, Opa Picard sowie Joséphine wichtige Rollen in dieser unterhaltsamen Geschichte. „Die Patisserie am Münsterplatz-Schicksalsjahre“ ist ein kurzweiliger Roman, die neben einer komplizierten, emotionsgeladenen Familiengeschichte vor allem mit vielen historischen Informationen zu überzeugen weiß, wobei man auch all die Köstlichkeiten nicht vergessen darf, die hier immer wieder erwähnt werden. Verdiente Leseempfehlung!