phantastische_fluchten
Blaine Williams lebt alleine und zurückgezogene auf einer einsamen Farm, als Gesellschaft nur seinen Hund, dem er in all den Jahren nicht einmal einen Namen gegeben hat. Nur selten reitet er in die Stadt, um seine Vorräte aufzufüllen. Bei einem seiner Ausflüge in die Stadt begegnet ihm Dewey Stockwell, ein reicher, verzöger Sohn eines angehendes Senators. Dewey, der von sich glaubt, ein Geschenk Gottes an die Menschheit zu sein, wirft ein Auge auf die Besitztümer des alten Mannes. Der stellt sich allerdings als ein Gegner heraus, dem er nicht gewachsen ist. So bleibt nur der feige Weg, ein nächtlicher Überfall auf die Farm, bei dem Blaine Williams zusammengeschlagen und der Hund getötet wird. Nicht ahnend, was für ein schlafendes Ungetüm er erweckt hat, reist Dewey zurück in die Stadt und präsentiert stolz seine Beute. Jeder weiß, wem die gestohlene goldene Uhr und das kostbare Pferd gehören und jeder weiß, dass Dewey von nun an ein wandelnder Toter ist. Als Glen Stockwell erfährt, wen sein Sohn überfallen hat, setzt er eine hohe Belohnung aus, um Blaine Williams ein Ende zu bereiten. Er weiß genau, wozu der alte Mann fähig ist, hat dieser doch einst für ihn gearbeitet. Kommentar: In einem Punkt hat Anton Serkalow definitiv recht. Diese Rachegeschichte gehört in den Wilden Westen. Schon der Titel des Buches erzählt alles, um was es in dieser Geschichte geht: Ein Mann und sein Auftrag. Das Buch umfasst 175 Seiten. Die Erzählung ist kurz, knapp und genau kalkuliert. Der Autor erzählt sie direkt und ohne Umwege oder Ausschweifungen, dennoch fängt er die Atmosphäre gekonnt ein. Als Leser weiß man genau, was einen erwartet, was passieren wird und doch ist man fasziniert und voll dabei. Dass Anton Serkalow eine Geschichte in Worte zu packen weiß, hat er schon mit »Vakkerville« und »Nighthunter« bewiesen und auch dieses Mal hat er mich gepackt, seine Sätze lassen eine Film vor den Augens des Lesers ablaufen. Während des Lesens hatte ich stets Clint Eastwood als Blaine Williams vor Augen und im Nachwort ist zu lesen, dass sich Anton Serkalow durchaus von dem Film »Erbarmungslos« hat inspirieren lassen. Die Szene, in der der alternden Revolverheld hinter dem Haus auf Dosen schießt, ist ein Beweis dafür. Tommy Lee Jones oder Lou Diamond Philipps als Mateo und es würde ein Film entstehen, der sich in die Klassiker einreihen kann. Leider bleibt die »Hall of Fame« der Western Legenden leer, denn es fehlt an Nachwuchs, der in die Fußstapfen der Großen treten kann. Obwohl dieses Buch 2020/21 geschrieben wurde, vermittelt es gekonnt die Atmosphäre der alten Klassiker. Ich habe lediglich Teil eins von »John Wick«, gesehen, mir war der Film zu hektisch mit too much an Eskalation. Hier, bei Blaine Williams, wirkt die Geschichte glaubwürdig und gut platziert. In einem Western muss man seinen Revolver oder sein Gewehr nachladen was das Szenario erstarren lässt. Im Moment der Feuerpause hält die Welt den Atem an, man hört das Wehen des Windes, den Ruf der Vögel, das Scharren der Hufe im Sand oder das Klappern von Fensterläden. Es braucht keine modernen Schnellfeuerwaffen mit unzähligen Schuss, um ein glaubhaftes Szenario zu erzeugen, es reichen ein Revolver und eine Winchester. Die Natur und das Leben haben Blaine Williams Geduld und Ausdauer gelehrt, er verfolgt zielstrebig seinen Plan und nichts und niemand kann ihn von seinem Weg abbringen. Und das versucht auch niemand, der ihn und seinen Ruf kennt. John Bei »John Wick« gab es die Diskussion, ob der Tod eines Hundes solche eine Eskalation der Gewalt rechtfertigt. Ein Tier, egal ob Hund, Katze oder Pferd, ist ein Freund und ein Weggefährte. Ein Vertrauter, dem wir alles erzählen können, der nicht urteilt und uns nimmt, wie wir sind. Jemand, der zuhört und uns vertraut. Nicht jeder sieht das so, belächelt die Menschen, die so empfinden aber in dieser Geschichte ist es glaubwürdig. Niemand hinterfragt die Reaktion des alten Mannes auf die Tötung seines Hundes. Mateo fasst es wunderbar in Worte, ich zitiere von Seite 113: »Was tue ich hier eigentlich, Mateo? Es war nur ein Hund.« »Es ist immer nur irgendein nur, Blaine. Nur eine Frau, nur ein Freund, nur ein Mustang, nur mein Stamm, nur meine Heimat, und doch war der Schmerz, den ich fühlte, wenn ich dieses nur verlor, jedes Mal sehr real.« Es geht nicht wirklich um den Hund, es geht um die Ungerechtigkeit an sich, um den fehlenden Respekt, um die Arroganz des vermeintlich Stärkeren. Hier wirkt die Geschichte glaubwürdig, hier kann ich sie verstehen und akzeptieren. während ich bei »John Wick« letztendlich Probleme hatte, dem Verlauf zu folgen. Ich lese sowohl klassische als auch moderne Western wie Longmire oder die Bücher von Tony Hillerman. Ich weiß nicht, wie oft ich »Spiel mir das Lied vom Tod«, »Erbarmungslos« oder auch Deadwood gesehen habe. Daher freut es mich, dass man in diesem Genre immer wieder neue Geschichten findet, die beim Blitz Verlag (nein, keine Werbung, kein Rezensionsexemplar, lediglich ein Hinweis) eine Heimat gefunden haben. Das Cover entspricht den klassischen Wild-West Heftchen Romanen und es passt perfekt zu diesem Buch. Man mag das Genre belächeln, für mich sind es spannende, ehrliche Geschichten und auch wenn ich Nighthunter sehr mag, ist dies der wahre Wilde Westen. Und ich bin ein bißchen stolz darauf, als Inspiration gedient zu haben, wie man im Nachwort lesen kann. 😀 Fazit: Wer Western liebt, kann und darf an diesem Buch nicht vorbei gehen.