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letterrausch

Posted on 31.7.2021

Der mare Verlage widmet sich, wie der Name schon sagt, dem Meer. Da ist der Schritt zu meerumspülten Inseln nicht weit, was sicherlich der Grund ist, warum der Verlag diesen sehnsuchtsumwitterten Orten eine eigene Reihe – nämlich „Meine Insel“ – widmet. Frido Mann schreibt über die Kurische Nehrung (minimal geschummelt, denn die Nehrung ist „nur“ eine Halbinsel) und Claudia Rusch über Rügen. Es gibt Bücher über Capri und Irland, Island und Sylt. Und seit neuestem gibt es auch ein Buch über Helgoland, verfasst von der Übersetzerin (Jane Gardam, Brit Bennett) und Autorin („Laufen“) Isabel Bogdan. Für die Hamburgerin ist es ja auch nur ein Katzensprung bis Helgoland, das sie gern aufsucht, um zu schreiben. Denn weder warten dort Wäscheberge noch Fenster, die geputzt werden wollen. Die unerledigte Steuererklärung schaut einen genauso wenig vorwufsvoll an wie der leere Kühlschrank. All so Sachen, die einem vom literarischen Arbeiten abhalten wollen (und es meist auch tun). Welch Wohltat also, in Hamburg den Katamaran zu besteigen und vier Stunden später auf Helgoland von Bord zu gehen. Dort umweht die Meeresbrise die Nase und das Haupthaar, während die alltäglichen Probleme und Aufgaben auf dem Festland zurückgeblieben sind. Freiheit! Urlaub! Inselfeeling! Und was macht man so auf Helgoland – also außer Schreiben? Laut Bogdan gibt es da nicht so viel, schließlich ist die Insel in ihrer Größe doch recht übersichtlich. Man kann sie umrunden, man kann zu den Robbenbänken hinausfahren, man kann Vögel beobachten oder Hummer essen. Und obwohl die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung überschaubar sind, findet sie am Schluss des Büchleins doch ausreichend Gründe, um die Insel ein weiteres mal besuchen zu wollen. Ist eben doch ein Sehnsuchtsort, so eine Insel! Auf der einen Seite hat Isabel Bogdan ein handliches Reisebändchen geschrieben. In bester journalistischer Manier erklärt sie dem Leser Wissenswertes zur Insel. Wie groß sie ist, wie lang der Rundweg, welche Vogelarten gibt es, was ist der Unterschied zwischen Seehunden und Robben. Sie erklärt, dass es zwei Edekas, aber leider keinen Buchladen gibt. Dass man das eine Polizeiauto auf der Insel tatsächlich manchmal braucht, wenn die Besucher der Jugendherherge über die Stränge schlagen. Erklärt, dass es auf dieser winzigen Insel einen Marathon gibt. Sie taucht ein in die Geschichte, in den Vogel- und Naturschutz. Sie begleitet den „Robbenbeauftragen“ bei seiner Arbeit und spricht mit Ornithologen. Und sie kommt immer wieder zurück auf James Krüss, den auf Helgoland geborenen Autor, den viele wahrscheinlich hauptsächlich durch sein Buch „Timm Thaler“ kennen. Die Reisebeschreibungen werden immer wieder unterbrochen durch persönliche Betrachtungen des eigenen Schreibens. Wie unterscheidet sich das Schreiben vom Übersetzen? Lieber den ganzen Plot vorher kennen oder drauflos schreiben und sich überraschen lassen? Wie findet sie ihre Stoffe?Und wie bringt sie sie schießlich zu Papier? Diese geradezu intimen Passagen zur „Methode“ einer Autorin sind spannend, vor allem mit ihrer Unsicherheit sichert sie sich die Sympathien der Leserschaft. Jeder, der sich für Literatur interessiert, wird diese Passagen gern lesen, geben sie doch Einblick in die Schreibstube einer Autorin. Sie zeigen das Werden eines Romans, die vielen Schritte bevor man als Leser das finale Werk in den Händen hält. Auch sinniert sie über die Einsamkeit bei Lesereisen und den Austausch mit anderen aus der Zunft. Und so ist „Mein Helgoland“ ein ganz persönliches Büchlein einer Autorin über die Insel ihrer Wahl und über sich selbst. Wer Helgoland mag, wird hier fündig werden. Wer gern Isabel Bogdan liest, auch. Sie schreibt mit leichter Hand, mit journalistisch gekonnten Überleitungen, sodass der Text wie ein Bachlauf vom einen zum nächsten Thema perlt. Wunderbar zu lesen und herrlich zum Träumen! Das Hörbuch wird von Isabel Bogdan selbst eingesprochen. Das ist zunächst gewöhnungsbedürftig, denn in den seltensten Fällen (eigentlich in keinem) kann es ein Autor mit einem professionellen Sprecher aufnehmen. Doch je mehr man sich einhört, desto mehr macht die Wahl Sinn, denn es ist ein sehr persönliches Buch geworden. Also eigentlich logisch, dass die Autorin selbst liest. Zitate (meistens vom oben genannten James Krüss) werden von Christoph Maria Herbst eingelesen, der auch schon ihr Debut „Der Pfau“ eingesprochen hat (und zwar ziemlich gut). Ein netter Kniff, um die Zitate aus dem Text herauszuheben und das Hörbuch aufzulockern. Ich habe gern gelauscht. Und beschlossen, dass ich, die ich überall von märkischem Sand umgeben bin, vielleicht doch mal wieder ans Meer muss. Dringend!

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