auserlesenes
Im Herbst in einer kleinen Hütte in Bayern: Henriette, Anfang 30, nimmt sich zusammen mit einer Freundin, Paula, eine Auszeit in den Bergen. Die Doktorandin hat gerade eine Abtreibung hinter sich, die sie in depressive Stimmung versetzt hat. Nun will sie zur Ruhe kommen und mit ihrer Dissertation vorankommen, an der sie schon sehr lange sitzt. Doch es verläuft nicht alles wie geplant... „Auszeit“ ist der Debütroman von Hannah Lühmann. Meine Meinung: Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln mit noch kürzeren Abschnitten. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Henriette. Immer wieder eingestreut sind Rückblicke. Dieser Aufbau funktioniert gut. Eine Stärke des Romans ist seine Sprache. Der Schreibstil ist atmosphärisch dicht, intensiv und voll von gelungenen Bildern. Der Autorin schafft es, mit wenigen Worten viel zu transportieren. Als Protagonistin steht Henriette im Fokus der Geschichte. Leider konnte ich keinen Zugang zu ihr finden, zumal sie wenig über sich als Person preisgibt, gleichzeitig aber sehr selbstbezogen ist. Ihre Freundin Paula nimmt ebenfalls eine wichtige Rolle ein und beansprucht für meinen Geschmack sogar ein wenig zu viel Raum auf den bloß rund 170 Seiten. Und dann gibt es da noch Tobias, einen verheirateten Mann und Vater eines Babys, der mich in mehrfacher Hinsicht abgestoßen hat. Alle drei Charaktere sind mir unsympathisch und blieben mir bis zum Schluss fremd. Ihr Verhalten ist nicht immer nachvollziehbar. Inhaltlich hat mich die Geschichte ein wenig enttäuscht. Gereizt an der Lektüre hat mich das Thema Abtreibung. Dies tritt in weiten Teilen des Romans aber in den Hintergrund. Vor allem wird nicht deutlich genug herausgearbeitet, wieso die Protagonistin überhaupt abgetrieben hat. Stattdessen lesen wir einen großen Strudel an sonstigen Gedanken. Darin philosophiert die Protagonistin über eine Vielzahl an Dingen, wobei durchaus einige kluge Sätze dabei sind, die zum Nachdenken anregen. Allerdings haben mich etliche Passagen nicht überzeugt. Unter anderen haben mich die langen und irrelevanten Ausführungen zum Thema ihrer geplanten Dissertation, die Werwölfe, gestört. Insgesamt ist der Roman besonders zu Beginn recht handlungsarm und gleitet in einem sehr gemächlichem Erzähltempo dahin. Erst als es etwa ab der Hälfte des Buches darum geht, wie es überhaupt zu der Schwangerschaft kam und was daraufhin passiert ist, konnte mich die Geschichte wirklich fesseln. Das Ende wiederum hat mich zwar überrascht, aber auch verwirrt und ratlos zurückgelassen. Es ist für mich nicht ganz stimmig. Das Cover finde ich sowohl geschmackvoll als auch aufgrund des Baummotivs thematisch passend. Der prägnante Titel ist ebenfalls treffend. Mein Fazit: „Auszeit“ von Hannah Lühmann ist ein Roman, der mich sprachlich beeindruckt, aber inhaltlich meine Erwartungen nicht ganz erfüllt hat.