
Variemaa
Kelles Buch ist alles aber kein neuer Feminismus. Bereits in ihrem Vorwort schafft sie es, alle Feministen entweder alt und kinderlos oder jung und unerfahren darzustellen, noch dazu Lesben zu diskriminieren und für Leihmutterschaft verantwortlich zu machen. Wäre es kein Leserundenbuch gewesen und das Thema so wichtig für meine Dissertation, hätte ich an der Stelle vielleicht schon abgebrochen. Was Birgit Kelle macht, ist tatsächliche Probleme zu erkennen. Das kann ich nicht abstreiten. Es ist idiotisch, dass eine Frau nicht in ihrer Mutterrolle aufgehen darf, sondern dann als Mensch zweiter Ordnung betrachtet wird. Hausfrau und Mutter ist kein Ziel, das in unserer Gesellschaft als erstrebenswert gezeigt wird. Das stimmt, ist aber regional unterschiedlich. Und gleichzeitig werden Frauen, die arbeiten gehen geradezu verteufelt. Auch von Birgit Kelle, die behauptet es würde dem natürlichen Wunsch jeder Frau widersprechen. Der Witz daran: Sie hat dieses Buch geschrieben. Auch Bücher schreiben ist Arbeit. Da spreche ich aus Erfahrung. Also, wenn ihr keine Kinder wollt oder Kinder wollt und gleichzeitig arbeiten, tut mir Leid, dann ist was verkehrt bei euch. Dann widersprecht ihr eurer natürlichen Weiblichkeit. KiTas sind böse, Homosexuelle auch und Feministen der Teufel. Ich geh dann mal kurz kotzen. Das Problem für mich ist, dass diese Behauptungen zwar ohne Belege daherkommen, aber rhetorisch so verpackt werden, als wären es Fakten. Ein klassisches „Es ist halt so“, ein Frustbuch, kommt es mir vor. Ja, für mich wirkt die Autorin konsequent gefrustet. Weil ihr die Bezeichnung der „Nur-Mutter“ auf den Zeiger geht und sie nicht versteht, dass Wahlfreiheit nicht heißt, dass alle Frauen nur noch zu Hause bleiben wollen. Das zeigt sie sehr emotional. Das Buch beginnt mit ihrem Gefühl der Mutterschaft. Der unumstößlichen Liebe zu ihrem Kind. Toll. Bilderbuch. Kenne ich auch. Und dann krätscht sie rein, dass es allen Frauen so ginge, wenn sie Mutter werden. Dass alle Frauen sich das natürlich wünschen, weil Frausein und Muttersein das gleiche bedeutet und Muttersein Weiblichkeit pur ist. Da schüttle ich entgeistert den Kopf. Was ist mit postnataler Depression. Frauen, die keine Kinder bekommen können. Frauen, die verdammt noch mal gar keine wollen. Mütter, die ihre Kinder verhungern lassen. Männer, die Hausfrau und „Mutter“ sind. Sie gibt selbst zu, dass es die gibt und sie sie ausklammert. Und ich komme mit der unterschwelligen Behauptung, das seien dann keine richtigen Frauen und Männer dazu schon gar nicht in der Lage, nicht klar. Vielleicht ist mein Erfahrungskreis größer oder aber einfach mein Leben nicht so frustrierend. Glaube ich beides nicht. Ich empfinde dieses Buch als Zumutung. Weil Brigit Kelle scheinbar keine Ahnung hat, was Feminismus heute ist und warum das wichtig ist. Weil sie nur sich selbst sieht und im Buch sehr egoman daherkommt. In jedem Punkt sieht sie sich als Opfer, tritt gegen Politiker und Menschen, die nicht in ihre Schubladen passen.