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gachmuret

Posted on 23.7.2021

1993, Kalifornien. Anna Hart, erfolgreiche Ermittlerin, Spezialistin für verschwundene Kinder, steht nach einem furchtbaren Ereignis vor dem Scherbenhaufen ihres Privatlebens. Sie zieht sich daraufhin nach Mendocino zurück, dem Ort ihrer Jugend, wo sie bei Adoptiveltern aufwuchs. Dass ausgerechnet mit ihrer Ankunft ein Mädchen vermisst wird, macht freilich alle Rückzugs- und Einsamkeitspläne zunichte und sie steigt in die Ermittlungen vor Ort ein. Dass sie am Ort ihrer Jugend eine verschwundene Jugendliche sucht, die noch dazu ebenso wie sie einst adoptiert wurde, konfrontiert sie zwangsläufig nicht allein mit den Traumata der Vermissten, sondern auch mit den Schatten ihrer eigenen Vergangenheit. »Nacht ohne Sterne« wird vom Verlag als »psychologischer, literarischer Thriller« beworben. Das könnte falsche Erwartungen wecken. Denn dem Genre »Thriller« wird Paula McLains Roman keineswegs gerecht. Dafür fehlt es an Tempo und hohem Spannungsbogen. Löst man sich allerdings von dieser Erwartung, gibt es einen solide geschriebenen, spannenden Roman zu entdecken. Paula McLain lässt durch das geschickte Verweben der Lebensgeschichte ihrer Protagonistin mit den aktuellen Ereignissen im Roman darüber nachdenken, welch große Tragweite und Nachwirkungen Kindheitstraumata haben können und wie stark sie das Erwachsenenleben beeinflussen. Die Verknüpfung von Erfahrungen aus den eigenen Traumata, die Lehren ihrer liebevollen Pflegefamilie mit den speziellen Ermittlungsfähigkeiten der erwachsenen Anna, ist eine echte Stärke des Romans. Gelegentlich gerät ihr das für meinen Geschmack aber zu psychologisierend, was jedoch den Gesamteindruck nicht schmälern soll: Das ist ein berührender und bedrückender, mitfühlender und - zumindest für mich - erkenntnisreicher Roman, bei dem die Kriminalgeschichte eher in den Hintergrund rückt.

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