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gachmuret

Posted on 23.7.2021

Dass mit der Nationalstaatsbewegung und dem vom Kaiserreich ausgerufenen Kampf um einen »Platz an der Sonne« die Begründung eines deutschen Kolonialreiches ausging, ist bekannt. Was das bedeutet hatte, nämlich all die Verbrechen, die mit Kolonialismus einhergehen, war und ist bekannt. Davon, dass dies bewusst ist, kann jedoch kaum die Rede sein. Frappierender Weise fehlt dieses Bewusstsein nicht nur allgemein in der Gesellschaft, selbst bei Fachleuten scheint dies kaum ausgeprägt. Anders ist es kaum zu erklären, dass im Humboldt-Forum Artefakte ausgestellt werden sollen, deren Besitzaneignung nur verbrecherisch zu nennen ist. Es ist ein großes Verdienst, dass Götz Aly sein Renommée und seine Bekanntheit nutzt, um hier exemplarisch am sogenannten Luf-Boot aufzuzeigen, wie Raub und Mord, genauer: Völkermord, denn hier wurde ein ganzes Volk ausgelöscht, zur Aneignung dieses beeindruckenden Artefaktes führten. Er entdeckt dabei keineswegs neue, bisher unbekannte Quellen, er schöpft aus offen zugänglichem Wissen. Er stellt sie aber in den Zusammenhang und zeichnet damit die verbrecherische, blutige Spur nach, die bis zum heutigen Tag führt und die ohne Zweifel vorhandenen Veridenste um die Bewahrung indigener Kulturartefakte überlagert. Eine Mühe, die man sich beim Humboldt-Forum nicht machen wollte, indem man kommentarlos mit dem Prachtboot glänzen wollte. Den Machern des Forums diese erneute Verhöhnung nicht durchgehen zu lassen und sie öffentlich und wirksam mit der Geschichte zu konfrontieren, ist das größte Verdienst dieses Buches. Gleichzeitig verfügt Aly über das unter deutschen Historikern seltene Talent, Geschichte erzählen zu können. Damit ermöglicht er es allen, die an dieser Historie interessiert sind (und das sollten wir alle sein), sich über die Anfänge der deutschen Ethnologie und deren unheilvolle Verquickung mit dem deutschen Kolonialstreben zu informieren.

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