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stricki

Posted on 19.7.2021

Giftige Blüten oder "jeder findet seinen Meister" Eve ist ein durch und durch böser Mensch. Narzisstisch, vermutlich, verachtend, abwertend, erst kommt sie, dann ihre Kunst, und dann erst alles andere. Sie ist lang nicht so harmlos wie die Pflanzen, deren floraler Kunst sie sich verschrieben hat. Die 60-jährige Eve marschiert durch das nächtliche London und lässt ihr Leben in Gedanken Revue passieren. Und sie hatte ein aufregendes, wildes Leben, sie hat nichts ausgelassen, alles mitgenommen, Männer, Affairen, Parties, Lug und Betrug im engsten Freundeskreis, aus Freundinnen werden Feindinnen. Rechtzeitig hat sie den Absprung gefunden, hat einen begüterten Ehemann gefunden, so dass auch der eher mäßige Erfolg als Künstlerin, der ihr beschieden ist, keine finanziellen Einschränkungen bedeutet. Sie hat alles, was man sich wünscht. Aber es fehlt der Kick, der Pepp, die Bewunderung, der Sexappeal der Jugend. Neidisch starrt sie auf den Erfolg ihrer ehemaligen Mitbewohnerin Wanda, die mit provokativen Perfomances berühmter wurde als sie. Voller Verachtung schaut sie herunter auf ihre Tochter, die in ihren Augen alles falsch macht. Eve zerreißt alle in der Luft, einfach weil sie immer etwas findet, was in ihren Augen nicht genügt. Bis Luka auf der Bildfläche erscheint, knackig, jung, schön, Künstler. Allerdings ein abgebrochener Künstler, ein Plagiist, ein Kopierkünstler, der als Praktikant durch ihr Atelier schleicht. Eve, die eine Schwäche für jüngere Männer hat, ist sofort hingerissen. Eine Affaire beginnt, und es ist schnell klar, dass es nicht gut gehen kann. Eve und Luka sind sich recht ähnlich in ihrem Größenwahn, in ihrem Anspruch an sich und ihre Umwelt. Wird er die grande Dame zähmen und dominieren, wollen sie sich als Paar einen Namen in der Kunstwelt machen? Die Idee des Pflanzenteppichs aus Giftpflanzen ist genial, ich liebe diese Kreation. Die beiden funktionieren perfekt als Team. Annalena McAfee zelebriert die Beziehung zwischen den beiden, die Unruhe, die das Ganze im Arbeitsteam fabriziert, den Nervenkitzel, den beide ausreizen. Ein fulminanter Spannungsbogen. Bis die Dinge immer mehr aus dem Ruder laufen, bis die Vergangenheit Eve einholt und einen dicken Strich durch die Rechnung macht. Das Buch startet etwas verhalten, man muss sich durch die ersten Seiten durcharbeiten, dann geht es ganz schnell nach vorne, und ich konnte es schon bald kaum noch zur Seite legen. Ja, Eve ist böse, niederträchtig, gnadelos. Lange Jahre kommt sie damit durch, aber jeder Mensch gerät irgendwann an jemanden, der oder die das Handwerk noch besser beherrscht. Das ist ein Naturgesetz. Für mich eines der Highlights des Jahres!

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