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Buchdoktor

Posted on 18.7.2021

In der Gemeinde Terra Alta/Katalonien wird ein betagtes Ehepaar gefoltert und ermordet aufgefunden. Jeder kannte die Adells. Sie besitzen nahezu die Hälfte der Region und den international aufgestellten Verpackungskonzern Gráficas Adell, der wiederum der Hauptarbeitgeber des Bezirks ist. In einer Gegend, in der angeblich nie etwas passiert, fürchtet der leitende Ermittler Blai einen Skandal. Paco Adell war ein Patriarch wie aus dem Bilderbuch, der es nie verwunden hat, dass seine Tochter einen nichtsnutzigen Schwiegersohn heiratete und sich fortan allein auf die Mutterrolle konzentrierte. Der Schwiegersohn und der altgediente Geschäftsführer sind die unmittelbar von der Tat betroffenen Personen, auf die sich nun die Aufmerksamkeit der Polizei und der Öffentlichkeit richtet. Mit dem alten Adell, der sich aus einfachsten Verhältnis hochgearbeitet hatte, konnte man zwar nicht befreundet sein, aber wer sollte ihn so gehasst haben, dass er ihn, seine Frau und die Haushälterin auf widerliche Weise abgeschlachtet hätte? Zum Ermittler-Team gehört Melchor Marín, der ursprünglich aus Barcelona stammt und in die ländliche Polizeistation versetzt wurde, damit die Wellen sich beruhigen, die er an seiner vorigen Dienststelle aufgewirbelt hatte. Der erst 30-Jährige Melchor stammt auch aus schwierigen Verhältnissen, hat als Jugendlicher jede denkbare Grenze ausgetestet und schlug die Polizeilaufbahn ein, um den ungesühnten Tod seiner Mutter aufzuklären. Melchors Stärke ist seine Einfühlung in die Menschen, die auf der anderen Seite des Vernehmungstischs sitzen; die Position, in der er noch vor kurzer Zeit selbst war. Mit immensem Personalaufwand wird im Fall Adell ermittelt, bis der Fall nach einem halben Jahr ungeklärt abgeschlossen werden soll. Melchor kann das nicht hinnehmen - und reizt einmal mehr Grenzen und Gesetze aus. Die Parallelen zum Schicksal seiner Mutter sind schwer zu übersehen. Javier Ceras Serienauftakt besteht aus drei Teilen, dem grausamen Mord an den Adells mit der folgenden Untersuchung, Rückblicken in Melchor Maríns „anderes Leben“, bevor er nach Terra Alta versetzt wurde, und schließlich die Auflösung des Falls, die nicht Ergebnis von Polizeiermittlungen ist, sondern mit einigem Aufwand aus dem Hut gezaubert wird. Die Einblicke in die Persönlichkeit Melchors habe ich atemlos verfolgt; denn sie zeigen, was ihn als Ermittler antreibt. Der Abschnitt, der das Verhältnis von Melchor und seinem Mentor Ernest Salom aufblättert, kam für meinen Geschmack zu spät – und die aus dem Hut gezogene Lösung konnte mich wenig begeistern. Als Serienauftakt und Einführung eines Ermittlers, der noch eine lange Karriere im Krimigenre vor sich hat, finde ich den ersten Terra-Alta-Band dennoch lesenswert.

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