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runenmaedchen

Posted on 15.7.2021

In Ronya Othmanns Roman geht es um die in Deutschland lebende Leyla und ihre Sommer, die sie mit ihren Eltern (zumeist) bei ihrer Familie väterlicherseits verbracht hat. Ihr Vater ist jesidischer Kurde, aufgewachsen im nördlichen Syrien. Zunächst lernt man Leylas Familie in Syrien kennen und erfährt, welche Beziehungen sie untereinander pflegen. Eigentlich passiert nichts Besonderes, aber Leylas Familie ist sehr facettenreich und man kann als Leser einerseits sehr schnell die Verbundenheit innerhalb der Familie spüren (besonders das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Leyla und ihrer Großmutter hat mich berührt) und andererseits selbst mit Leichtigkeit eine Verbindung zu den Figuren aufbauen. Ganz nebenbei lernt man zudem etwas über den jesidischen Glauben. Im fortgeschrittenen Teil des Buches wird es kurz historisch und schließlich politisch. Der Schwerpunkt wurde hier auf die Entstehung und den Fortgang des Syrienkriegs gelegt. Der Krieg an sich wurde eher rudimentär behandelt: Es wurde vielmehr vorrangig Bezug auf Leylas Familie genommen, inwieweit sie unmittelbar betroffen waren und welche Folgen das für die Familie hatte. Diese gewählte Perspektive in Bezug auf den Syrienkrieg wirkte sich positiv auf den Roman aus. Ronya Othmann hat einen ruhigen Schreibstil, was ich generell sehr schätze. Sie hält viele Anekdoten bereit und springt in den Sommern respektive Zeiten hin und her. Die Anekdoten kann man demzufolge keinem genauen Jahr zuordnen. Dass die Geschichten und Sommer ineinander übergehen, fand ich persönlich sehr gut. Denn um die Chronologie geht es in diesem Roman nicht wirklich. Zudem werden auch schwerwiegende Themen wie Mord, Folter und Staatenlosigkeit behandelt, was dem Roman eine gewisse Tiefe verleiht. Insbesondere möchte ich hervorheben, dass mir die emphatische Herangehensweise der Autorin, wie sie die innere Zerrissenheit Leylas im letzten Abschnitt darstellte, ausgesprochen gut gefallen hat. Denn nicht zuletzt geht es bei Leyla um Zugehörigkeit, Heimatlosigkeit, Identität und um auszustehende Ängste. Allerdings übe ich hier gleichzeitig auch Kritik aus. Leider ist es schwer, meine Kritik zu begründen ohne zu verraten, worum es geht. Nur soviel: Für die Folge von Leylas Zerrissenheit fehlen mir einfach gewisse weitere Parameter. Othmanns Intension verstehe ich sehr gut, aber sie hätte es meiner Ansicht nach nicht in dieser Kürze abhandeln sollen, da die Thematik wesentlich komplexer ist und so viel mehr Information braucht als das, was wir Leser über Leyla und ihre Familie wissen. Ferner hätte ich gerne etwas über Leylas Mutter erfahren oder über die Ehe der Eltern, was auch für den zweiten Teil sinnvoll gewesen wäre. Dies war mir insgesamt zu blass. Außerdem wurde die Vergangenheit des Vaters im Ausland relativ ausführlich dargestellt. Hier fehlte mir der Kontrast zu seinen Erfahrungen in Deutschland. Denn auch dies ist einer der o.g. fehlenden Parameter. Das Buch ist ja nicht sonderlich lang, es hätte sich meiner Ansicht nach gewinnbringend ausgewirkt. Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen, auch wenn es nicht perfekt war. Ich kann es trotz meiner negativen Kritik absolut empfehlen und denke, dass das Buch zu Unrecht so wenig Aufmerksamkeit erhält.

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