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Buchensemble

Posted on 15.7.2021

ERZÄHLTE LANGSAMKEIT – SEIDE Hervé Joncour bereist als Seidenhändler die ganze Welt. Im Japan des 19. Jahrhunderts verliebt er sich in ein schönes, unbekanntes Mädchen in einem Seidenkleid in der Farbe des Sonnenuntergangs. Eine verbotene Liebe, eine unmögliche Liebe, die ihn trotz allem immer wieder nach Japan zurückkehren lässt und ein Leben lang begleitet. Mein Eindruck zu “Seide”: Ich muss sagen, ich hatte irgendwie etwas anderes erwartet. Vielleicht mehr historischen Kontext. Oder mehr Liebesgeschichte. Auf jeden Fall nicht diese langsame Geschichte, die sich wie in Zeitlupe fallende Stoffbahnen anfühlt. Sehr zart, sehr durchsichtig, und irgendwie ein bisschen langweilig. Für so ein Buch muss man auf jeden Fall in der richtigen Stimmung sein. Da es mir beim Lesen auch so gegangen ist, dass ich zuerst die Schwächen und dann die Stärken davon bemerkt habe, drehe ich hier die Reihenfolge ausnahmsweise um: Stärken des Buchs: Die Stärke des Romans liegt auf jeden Fall in seiner behutsamen Erzählweise. Es ist ein sehr leises Buch, das erst mit der Zeit so richtig seine Wirkung entfaltet. Wie Tee. Zuerst schmeckt es wie Wasser, dann nimmt es langsam Geschmack an und am Ende ist man erstaunt, dass es eigentlich doch einen guten Geschmack hat. Alessandro Baricco schafft Wort für Wort eine Atmosphäre, die uns durch Länder und Jahrhunderte trägt, erzählt uns von einer Liebe, die aber eigentlich eine ganz andere ist, und überrascht schließlich mit einem Ende, das ich so nicht erwartet hätte, aber sehr stimmig ist. Hervés Frau Héléne mit ihrer weichen Stimme ist für mich trotz der wenigen Beschreibungen der schönste Charakter des Romans.

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