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daniliest

Posted on 10.7.2021

„Wenn die Hoffnung erwacht“ war mein vierter Roman von Lilli Beck und auch diese Geschichte hat mich komplett abgeholt und in den Bann gezogen. Inzwischen sind die Bücher der Autorin eine Garantie für mich, dass ich für einige Stunden gut unterhalten werde und völlig vom Alltag abschalten kann. Der Titel ist hier Programm, denn nach den düsteren Kriegsjahren wird das Leben für die junge Nora endlich wieder aufregender und glücklicher. Sie verliebt sich in den charmanten Soldaten William und sieht die gemeinsame Zukunft bereits in allen Farben vor sich. Doch als William plötzlich spurlos verschwindet bleibt Nora allein und schwanger zurück – zur damaligen Zeit ein Skandal! Um ihrem strengen Vater zu entkommen flieht Nora nach München, wo sich aufgrund eines Missverständnisses großartige Chancen für sie ergeben. Nora konnte ich von Anfang an sehr gut leiden und habe mit Spannung verfolgt, wie sich ihr Leben entwickelt. Mehr als einmal habe ich innegehalten und darüber nachgedacht, ob ich ihre verhängnisvolle Entscheidung verwerflich oder nachvollziehbar finde. Aus heutiger Sicht ist es schwer, sich so eine Situation vorzustellen aber der Roman erklärt anschaulich die gesellschaftlichen Normen Ende der 40er Jahre. Dass eine alleinerziehende Mutter eine Wohnung erhält, wäre undenkbar gewesen. Wahrscheinlich wäre ihr noch nicht einmal das Sorgerecht zugesprochen worden. Unter diesem Aspekt kann ich Noras Zwickmühle und ihren Entschluss, ihr Leben auf einer Notlüge aufzubauen verstehen. Neben Nora spielt insbesondere die Familie Wagner eine bedeutende Rolle. Helene Wagner findet nur sehr schwer ins Leben zurück, nachdem ihr der Krieg ihre Kinder genommen hat. Da hilft auch das große Haus und das Vermögen der Familie wenig. Ihr Mann Wolf träumt davon, eine Illustrierte zu gründen. Wolf war einer meiner Lieblingscharaktere in dieser Geschichte. Ich empfand ihn als ausgesprochen sympathisch, großzügig und verständnisvoll. Außerdem hat es mir großen Spass bereitet, die Entstehung der Zeitschrift – damals noch in schwarz/weiß – zu verfolgen und darüber zu lesen, welche Themen Anfang der 50er Jahre beliebt waren. Auch die Aufmachung des Romans gefällt mir gut. Die Covergestaltung passt sich optisch sehr gut an die anderen historischen Romane von Lilli Beck an und die vier ergeben zusammen ein stimmiges Bild. Zudem finde ich es sehr positiv, dass der Klappentext nicht zu viel verrät. Ich hatte zwar vermutet, dass ich ziemlich genau wüsste, wohin die Handlung geht, tatsächlich brachte die Geschichte einige Überraschungen mit sich und entwickelte sich anders, als zunächst angenommen. „Wenn die Hoffnung erwacht“ habe ich sehr gerne gelesen. Die Protagonistin durchläuft eine interessante Charakterentwicklung vom jungen Mädchen zu einer erfolgreichen, berufstätigen Frau und setzt sich dabei über die Konventionen ihrer Zeit hinweg. Hier vergebe ich gerne fünf Sterne.

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