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gwyn

Posted on 9.7.2021

Der Anfang: «Keine Namen, so lautet das ungeschriebene Gesetz. Bloß nicht die echten Namen! Deshalb muss sie die Frau, die ihr Unterschlupf bietet, auch als Merel anreden, was Amsel bedeutet.» München 1945, ein paar Tage, bevor der Zweite Weltkrieg sein Ende nahm – die Amerikaner sind auf dem Vormarsch. Zwei Stränge: Zwangsarbeiterinnen aus einem KZ, Frauen aus dem Niederlanden und aus Frankreich werden die letzten Kriegstage in einem Gewaltmarsch Richtung Osten getrieben. In München haben derweil die Frauen einer Familie bei Tante Vev Unterschlupf gefunden, deren große Wohnung von den Bombenangriffen verschont blieb. Die Not ist groß, Lebensmittel per Bezugsschein reichen hinten und vorn nicht, die Nahrungsmittel sind rar. Das alles fing spannend an, doch warum begann mich das Buch bald zu langweilen? Weil letztendlich alles glattläuft! Eine große Frauen-WG, zu der sich auch die Hauptprotagonistinnen des ersten Strangs gesellen. Gut beschrieben ist die harte Zeit nach Kriegsende, das ist der Autorin gelungen. Alles läuft über Schwarzmarktgeschäfte in der Möhlstraße; Zahlungsmittel sind Nylons, Kaffee, amerikanische Zigaretten und Schokolade, hochwertige Bekleidung, Kleinmöbel, Schmuck usw. In dieser Familie bekommt jeder, der arbeiten will einen Job, und wenn irgendetwas schief läuft, gibt des den befreundeten amerikanischen Offizier, der alles besorgt: Berechtigungsscheine, Medizin usw. Was der nicht auftreiben kann, organisiert ein halbseidener Schwarzmarkthändler und Tante Vev hat für alle Fälle jede Menge Schmuck in Sofakissen versteckt. Alle heiratsfähigen Frauen finden am Ende einen Ehemann, auch wenn anfangs ein wenig Bäumchenwechseldich gespielt wird. Da läuft für den Leser einfach zu viel glatt, die Protagonistinnen haben verglichen mit dem Rest der Bevölkerung wenig zu leiden. Der Roman heißt ja auch Glückskinder. Ihnen geht es für die damaligen Verhältnisse recht gut, und wenn wirklich mal etwas fehlt, ist ein Helferlein zur Stelle. Die Story ist vorhersehbar in allen Dingen und für meinen Geschmack ist weidlich zu viel Love in einen historischen Roman eingestrickt. Und bei der einen Liebesgeschichte muss ich sogar Einspruch erheben – das ist psychologisch gesehen für mich total unrealistisch. KZ-Opfer heiratet ehemaligen kanllharten Nazi-Aufseher, der sie gepeinigt hat! Klar, er ist geläutert und einen Tag auf den anderen. Ganz am Rande erlebt man das Ende des Zweiten Weltkriegs: Besatzungsmächte, Entnazifizierung, die Nürnberger Prozesse, Mangel am Nötigsten, Krankheit, Schwarzmarkt und die Währungsreform der D-Mark. Letztendlich passiert das Üble nur den anderen und die Damen der Familie sind mit ihrem Beziehungsgeflecht beschäftigt. Schade. Das Thema hat Potential, der Roman hatte einen guten Anfang, flachte aber bald in eine vorhersehbare Schmonzette ab, bei der das Historische hinten herunterfiel. Wer diese Art von Roman mag, dem kann ich die Geschichte empfehlen. Teresa Simon ist das Pseudonym der promovierten Historikerin und Autorin Brigitte Riebe. Ihre Romane wurden zu Bestsellern.

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