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SternchenBlau

Posted on 6.7.2021

Wir wollen unsere Kinder beschützen, doch ist die Welt leider längst nicht immer ein schöner Ort. Oscar ist so ein beschütztes Kind und mit seinen Eltern stehen in den Sommerferien vier Wochen Segeltörn im Mittelmeer an. Mit einem treibenden Rettungsring, an dem sich zwei erschöpfte Kinder festhalten, zeigt sich für Oscar, dass die Welt leider eben nicht nur aus Schule und Ferien besteht. Nala und ihr kleiner Bruder Moh haben auf der Flucht einiges mitgemacht und schon ihren Vater verloren, der seine Kinder ebenfalls einfach nur beschützen wollte. Und schnell freunden sich die drei Kinder an. Welch ein wundervolles Kinderbuch mit einem wichtigen Thema! Mein 9jähriger Sohn und ich haben das Buch wirklich richtig gerne gelesen, es ist spannend und lebendig geschrieben. Und uns sind die Kinder alle drei so sehr ans Herz gewachsen. Es gibt zwei verschiedene Erzählebenen: Ein Großteil der Handlung geschieht zwar in der 3. Person, aber aus Oscars Perspektive. Nala und Moh lernen wir intensiven Dialogen kennen. Schon formal werden so alle drei Kinder zu tragenden Figuren. Wir behalten zwar weitgehend Oscars Perspektive, der aufgrund der Sprachbarriere die anderen beiden nicht immer verstehen kann, gerade Nalas Sicht, ihre Klugheit und Fürsorge wird in den Dialogen nochmal sehr intensiv deutlich. Und ich fand so schön, wie sie im Lauf der Geschichte zu einem richtigen Lausemädchen werden kann. Autorin Franz macht Nala zu einer ganz besonderen Schwarzen Mädchen Figur – und das fängt schon damit an, dass die Hautfarbe zwar klar markiert wird, aber nicht beim ersten Auftreten. Und auch das hilft hoffentlich, Vorurteile zu hinterfragen. Manche Menschen denken vielleicht, Flucht und Vertreibung sei kein Thema für ein Kinderbuch. Das finde ich eine extrem privilegierte Sichtweise. Immerhin müssen sich viele Kinder nicht nur in Buchform mit diesem „Thema“ auseinandersetzen, sondern sie müssen es leidvoll selbst erfahren. Ich denke, Kinder, die mit offenem Blick und Empathie durch die Welt gehen und auch hin und wieder Nachrichten gucken, die wollen oftmals selbst über dieses Thema etwas erfahren. Mein Sohn weiß schon, dass Menschen aufgrund der Klimakrise flüchten müssen und sein Großvater musste nach dem 2. Weltkrieg fliehen. Mein Sohn weiß, dass das für die Menschen und gerade Kinder schlimm ist. Dennoch habe ich die Grenzpolitik an den EU-Außengrenzen bislang immer vermieden anzusprechen, weil ich das selbst absolut schockierend finde. Das Thema kommt auch immer wieder vor, so war mein Sohn wirklich mitgenommen, dass die Polizisten Oscars Eltern vorwerfen, sie würden Menschenhandel betreiben. Aber das Buch fängt solche Momente wieder ganz gut ein. Und ich fand es auch aus Elternsicht gut, dass Oscars Eltern halt oft auch nicht mehr weiterwussten – und dennoch weiter für die Kinder ihr Bestes gegeben haben. Das wird in Kinderbüchern nämlich nicht längst immer so gezeigt. Für uns war es eine gute Entscheidung, dass wir das Buch gemeinsam gelesen haben. So konnte ich auf seine Fragen eingehen und wir haben viel über das Buch gesprochen. Und auch mein Sohn war froh, dass wir gemeinsam gelesen haben: „Alleine sind die traurigen Passagen dann nochmal trauriger.“ Zum Selberlesen möchte er es so ab 10 oder 11 empfehlen. Franz gelingt daher ein wirkliches Kunststück, wenn sie mit diesem Kinderbuch zwar diese Schattenseiten zeigt, ohne aber den Kindern die Hoffnung zu nehmen. Franz wird für das junge Zielpublikum nie zuuu ernst oder schwer. Nach den traurigen Momenten gibt sie immer wieder Hoffnung, nicht nur am Ende des Buches, sondern auch zwischendrin. Und das passiert in einem wundervollen Rhythmus. Dazu, und das ist letztendlich noch ein viel größeres Kunststück, relativiert sie weder das Leid von Nala und Moh noch viktimisiert sie die Kinder. Die beiden haben Schreckliches erlebt, das Fakt, und doch bleiben sie Kinder, die hoffen, spielen und blödeln dürfen. Die Reise wird eine Irrfahrt, denn keine Behörde in den Mittelmeerstaaten fühlt sich zuständig und möchte Nala und Moh aufnehmen. Wir haben mitgebangt und mitgehofft. Am Ende ließ uns Franz nicht umsonst gehofft haben und da finde ich gerade für die jungen Leser*innen total wichtig. Wenn wir wissen, dass die Welt nicht immer ein schöner Ort ist, brauchen gerade Kinder die Hoffnung, dass wir sie verbessern können. Eine ganz große Empfehlung von meinem Sohn und mir!

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