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SternchenBlau

Posted on 6.7.2021

Kaum Hilfe zur Hilfe aus eigener Kraft Das vorliegende Buch hat mich enttäuscht. Bei einem Aufkleber „Hilfe aus eigener Kraft“ hätte ich erwartet, dass es viel konkreter ansetzen würde, die eigenen „Ererbten Wunden (zu) erkennen“, wie nicht zuletzt der Titel vorgibt. Katharina Drexler schreibt selbst in ihrem Vorwort davon, dass das Buch „Menschen Unterstützung bietet, die vermuten, selbst ererbte Wunden in sich zu tragen“. CN: traumatische Erlebnisse (Krieg, emotionaler Missbrauch) Vielleicht ist das Buch ja auch eher für Menschen geeignet, die sich noch wenig mit dem Thema Trauma beschäftigt haben, denn das Buch gibt zunächst einen guten Überblick darüber, was Trauma ist und wie ein solches therapiert werden kann. Allzu sehr in die Tiefe geht Drexler nicht, aber das ist für den Anfänger-Laienlesenden auch nicht schlimm. Ich gebe zu, dass ich die vorgestellte EMDR (von Eye Movement Desensitization and Reprocessing, auf Deutsch etwa: Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen) nicht kannte. Ich hatte den Begriff in die Suchmaschine eingegeben und dabei festgestellt, dass die Methode mit einem ® als „Registered Trademark“ versehen ist. So was macht mich dann immer etwas skeptisch. Auf Wikipedia findet sich u.a. zur Kritik: „Davidson und Parker fanden in einer Metaanalyse von 34 Studien, dass EMDR nicht wirksamer oder effektiver ist als andere Expositionstechniken und die Augenbewegungen unnötig seien.“ Für das Buch wäre das nun ziemlich irrelevant, weil sich die EMDR nun eh nicht selbst anwenden lässt. Aber gerade weil ich das Buch zur Selbstanwendung nicht sehr hilfreich finde, hinterlässt es bei mir ein schales Gefühl, dass die EMDR eben kein offenes System ist. Nach dem Einblick in Trauma, Traumafolgen und transgenerationalem Trauma beschreibt Drexler sechs Fallbeispiele. Die fand ich sehr spannend zu lesen und ich kann mir gut vorstellen, wie die Patient*innen durch die Traumata ihrer (Groß-)Eltern im eigenen Leben beeinflusst wurden. Aber wenn mensch das nun auf sein eigenes Leben anwenden möchte, wie lässt sich das jenseits von allgemeinen Aussagen und Vermutungen über Krieg, Genozid, Flucht und Missbrauch übertragen? Was mich besonders gestört hat: Obwohl Deutschland in der NS-Zeit zahlreiche Täter*innen und mindestens Millionen von Mitläufer*innen hervorgebracht hat, werden in den Fallbeispielen nur Opfer und Widerständige vorgestellt. Das ist nicht sehr realistisch und vereinfacht die sehr komplexe Gemengelage. Gerade, wenn Täter*innen aus dieser Zeit, die ja selbst durch den Krieg traumatisiert werden konnten, bei den Kindern und Enkeln wieder zu Täter*innen wurden oder vielleicht auch denen gegenüber liebevoll waren, macht dies eine komplexe Gemengelage auf. Am Ende gibt es noch geführte Übungen, die ich so ähnlich schon aus dem Achtsamkeits-, NLP, usw.-Kontext kenne. Richtig Traumaspezifisch finde ich dabei nur die Rückgabe-Übung. Die Audio-Variante, die sich zum Buch herunterladen lässt, hört sich sehr entspannend und angenehm. Fazit Für mich selbst konnte ich hier wenig mitnehmen. Als Einstieg in das Thema finde ich das Buch dennoch geeignet. Ich sehe hier als Laie auch nicht, dass es Menschen aus der Bahn werfen könnte, allerdings tragen die Fallgeschichten ein gewisses Triggerpotential. Dass gerade in Bezug auf den 2. Weltkrieg nur Fallgeschichten von Opfern und Widerständigen vorgestellt wurde, sehe ich allerdings als problematisch an. 2,5 von 5 Sternen.

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