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gwyn

Posted on 6.7.2021

«Doch Karl VIII., der keinerlei Erfahrung besaß, war anhand seiner Lektüre zu der Überzeugung gelangt, um Italien seinen Willenn zu unterwerfen, müsse man die Sachen nur beschließen und losziehen; viele von uns denken heute noch so, nur dass wir nicht mehr an Epen glauben, sondern uns mit dem Internet begnügen.» Einerseits ein Roman, den man amüsiert lesen kann, nette Unterhaltung, der aber andererseits nicht so viel Spannung bei mir erzeugte, dass ich ihn für gut befinden kann. Ein historischer Roman mit Krimielementen, indessen doch kein Krimi und historisch ist die Geschichte nur bedingt. Ende des 15. Jahrhunderts, Renaissance, Mailand: Leonardo da Vinci wird häufig von Ludovico Sforza, genannt il Moro, am Mailänder Hof für verschiedene Projekte beauftragt. Den versteckten Humor in diesem Roman kann der genießen, der sich mit Leonardo ein wenig auskennt – da gibt es eine Menge Anspielungen. Es ist auch gut, zu wissen, dass Ludovico Sforza 1495 das Heer des französischen Königs in der Schlacht bei Fornovo schlug (später wurde er geschlagen und verstarb in Gefangenschaft). Die Bronze zum Schmieden seiner Waffen für diesen Kampf (70 Tonnen) waren eigentlich für das Reiterstandbild des Francesco Sforza vorgesehen; Leonardo da Vinci hatte den Auftrag dafür erhalten, arbeitete auch als Waffenkonstrukteur für Luduvico. In diesem Buch geht es um das Vorgeplänkel. Im Innenhof des Castello Sforzesco wird ein Toter gefunden. Zu diesen Zeiten kommt schnell der Verdacht einer Krankheit auf, wenn nicht offensichtlich ein Messer im Rücken steckt, Vergiftungserscheinungen zu sehen sind. Die Angst vor einer Seuche ist groß. Leider ergibt sich bei der Obduktion kein Anhaltspunkt auf ein Tötungsdelikt und der Astrologe von Ludovico Sforza befragte die Sterne: Es ist eine Krankheit. Mittlerweile ist der intelligente Leonardo da Vinci hinzugezogen worden, der eine ausgeklügelte These zu einem Mord zu bieten hat. Das finde ich klasse beschrieben. Ludovico Sforza liegt Leonardo ständig mit dem Reiterstandbild des Francesco Sforza in den Ohren – wann es nun endlich fertig sei. Doch der Künstler experimentiert derweil noch mit den Metallen. Schnell ist die Identität des Toten geklärt, auch dass es sich um einen Münzfälscher handelt. Leonardo hält sich erst einmal bedeckt – und das hat seine Gründe. Er versucht herauszubekommen, was dieser Mann in Mailand vorhatte. «Das war der Moment des All In, wie Pokerspieler des Texas Hold’em sagen würden, hätten sie die Szene miterlebt – was unmöglich war, da Amerika kaum ein Jährchen zuvor entdeckt worden war und die Eroberer in diesen Monaten anderes zu tun hatte als sich Kartenspiele auszudenken. Eingeborene ausrotten, beispielsweise.» Das Buch beginnt mit einer witzigen, umfangreichen «Dramatis Personae», und man bekommt eine Vorstellung von dem Personalaufwand, der hier betrieben wird – für den Leser nicht immer einfach. Im Prinzip behandelt der Roman das politischen Ränkespiel der damaligen Zeit, das Bündnis Mailands mit dem französischen König Karl VIII. gegen den König von Neapel. Die Franzosen glauben nämlich, dass Leonardo eine neuartige, fürchterliche Angriffswaffe erfunden hätte und wollen sein Notizbuch an sich bringen – sozusagen Werksspionage – Diebstahl von geistigem Eigentum – der Geheimdienst versucht, durch Spionage an Unterlagen zu gelangen. Und hier sind wir bei der Tonalität angelangt, die sich einerseits im historischen Kontext bewegt, sich andererseits durch den auktorialen Erzähler der heutigen Zeit heftig einmischt. Man muss es mögen, wenn «die Schimpftirade des Herzogs, der schrie wie ein C-Trainer», eingeblendet wird. Das Buch will unterhalten und humorvoll sein und so manches historische Wissen taugt zum Lachen: Am Hof der Sforza wurden am Tisch Kaninchen gestreichelt, um sich beim Essen die fettigen Hände zu reinigen. Politik, Intrigen, Gier und Neid, ebenso Machthunger treiben die Protagonisten an – hier unterscheidet sich die Renaissance keineswegs von der heutigen Zeit. «Wenn man in Mailand lebt, hat man immer weniger Geld, als man bräuchte.» Vieles ändert sich nie. Der Humor, den man in dieser Form mögen muss – mir hat es gefallen. Viel Personal tritt auf, und so kann der Autor nicht in die Tiefe gehen, die Figuren bleiben oberflächlich, die Geschichte zieht sich oft wie Kaugummi. Das alles bremst die Spannung, den Sog. Gute Unterhaltung, man kann das Buch lesen, aber richtig hat es mich nicht packen können. Marco Malvaldi, geboren in der Toskana, hat Chemie studiert und arbeitete zunächst als Wissenschaftler. 2007 veröffentlichte er seinen ersten Toskana-Krimi mit dem Barbesitzer Massimo der «Bar Lume», der sofort zu einem großen Erfolg wurde. Zahlreiche weitere Bände folgten. Sein Roman über Leonardo da Vinci, für den der Autor jahrelang recherchierte, stand in Italien monatelang an der Spitze der Bestsellerlisten und fand auch international große Beachtung.

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