Profilbild von Buchensemble

Buchensemble

Posted on 30.6.2021

“ES SOLL ABER DIE WAHRHEIT SEIN” Daniel träumt. Elisabeth, besucht ihn jede Woche, liest ihm vor und sieht ihm zu. Er war immer schon alt, aber sie war zwölf, als sie sich kennengelernt haben, ihr Nachbar. Sie haben ein ganzes Leben hinter sich, gemeinsam, getrennt, und auch vor sich, denn es gibt noch Hoffnung in dieser Welt, solange es Geschichten gibt. Und es gibt Kunst, auch wenn sie einem das Herz bricht. Mein Eindruck zu “Herbst”: Ich liebe Ali Smith. Von allen Autoren und Autorinnen, die ich bisher gelesen habe, gibt es nur zwei, von denen ich jedes Buch, egal worum es geht, ohne den Klappentext zu lesen kaufen würde. Ali Smith ist eine davon (der zweite ist Alex Capus). Mit ihrem Talent für Sprache, für Feinsinnigkeit, mit ihrem unterschwelligen Humor – selbst wenn sie über eine Fruchtfliege schreibt, ich würde es lesen. Worum geht es in “Herbst”? Um Kunst? Um Sterben? Um Leben? Ja, auch. Aber auch um Politik (Brexit), Literatur und Theater. Definitiv um Frauen, Frauenschicksale, Emazipation. Auf dem Buchrücken steht “Genial”. “Grandios.” “Unerträglich ergreifend.” Und: “So gut war Ali Smith noch nie”. Und wisst ihr was? Es stimmt. Stärken des Buchs: “Herbst” ist der Auftakt zu Ali Smiths Jahreszeitenquartett. Es verfolgt keinen linearen Handlungsstrang, wirbelt Eindrücke, Emotionen, Wahrheit, Fiktion alles wild durcheinander. Auf jeden Fall geht es um Daniels Sterben und Elisabeths Leben, sein Leben, das Leben ganz allgemein. Es geht um Liebe, aber anders, nicht die romantische Liebe, und um das Unerhörte. Ali Smith schreibt ohne Rücksicht zu nehmen, poetisch und zum Nachdenken anregend, trotzdem fesselnd. Mit ihrem einmaligen Stil malt sie eine einmalige Freundschaft, ein einmaliges Portrait, wie eine Collage, bei der man nichts erkennt und alles begreift. Das Buch berührt einen tiefer als andere Texte, gerade durch ihren Stil, durch das Aufbrechen der schriftstellerischen Normen. Es geht oft um Klang, um Gefühl, um Erspürtes und weniger um das was da steht. Trotzdem hat es eine Handlung, die einen mitnimmt, durch Jahrzehnte führt, durch Träume und Wahrheiten, im Fokus immer die Sprache. Historische Fakten sind zärtlich eingewoben, die Charaktere lebendig, greifbar. Ein Buch, das berührt, melancholisch, wie der Herbst, aber vorallem hoffnungsvoll. Die vollständige Rezension von Marlen kannst du beim Buchensemble nachlesen: https://www.buchensemble.de/herbst-ali-smith/

zurück nach oben