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mabuerele

Posted on 29.6.2021

„...Sie dachte an ihr Leben zurück wie an eine Reise, Eine lange und stetige Reise. Sie dachte an jene Momente, die sich für immer in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten. Aber das, an das sie sich am besten erinnerte, war er...“ Diese Worte stehen im Prolog des Buches. In dem Moment, wo sie Louise durch den Kopf gehen, weiß sie, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Sie sieht dem Tod gelassen entgegen. Die Autorin hat einen fesselnden Roman geschrieben. Einerseits erlebe ich, wie in der Gegenwart die Enkeltöchter Judith, Anna und Greta nach dem Tode ihrer Großmutter Louise nach ihren Wurzeln suchen, andererseits führt mich der Roman in die Vergangenheit und erzählt dort eine bewegende Liebesgeschichte. Während Judith und ihre Schwestern in Deutschland aufgewachsen sind, lebte Großmutter Louise auf Neufundland. Schnell wird klar, dass es zwischen ihr und ihrer Tochter Helene heftige Spannungen gab. Eines aber war beiden eigen. Sie haben sich jede Frage nach der Vergangenheit verbeten. Das Schweigen wurde von Generation zu Generation wietergegeben. Der Schriftstil ist ausgereift und abwechslungsreich. Das ist auch notwendig, denn die Geschichte steckt voller tiefer Emotionen. Die drei Schwestern sind völlig unterschiedlich. Judith ist Juristin und geht zielstrebig ihren Weg. Gefühle schiebt sie schnell zur Seite. Anna hat momentan eine schwierige Entscheidung zu treffen. Verlässt sie sich auf ihr Herz oder ihren Verstand? Anna ist auch diejenige von den Dreien, die sich am meisten für die Wurzeln der Familie interessiert. Greta ist lebenslustig. Leben und leben lassen, ist ihr Motto. Der Strang der Vergangenheit führt mich ins Jahr 1935 nach Hamburg. Jedes Kapitel beginnt mit einem Tagebuchauszug, der dann vertieft und fortgeführt wird. Louise ist die älteste Tochter des jüdischen Arztes David Blum. Sie ist befreundet mit dem Nachbarsjungen Carl von Hochstetten. Dessen Vater ist nicht nur Fabrikbesitzer, sondern ein hohes Tier bei den Nationalsozialisten. Wird ihre Liebe an den Zeitverhältnissen zerbrechen? „...Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich wünschte, ich könnte immer bei dir sein, um dich zu beschützen, aber das kann ich nicht...“ Für Louises Familie beginnt der soziale Abstieg. Eine Ausreise zu Verwandten in Amerika lehnt der Vater ab, weil er seine Eltern nicht allein zurück lassen will. Beide würden keine Reise überstehen. Für Carl dagegen beginnt ein Leben voller Widersprüche. Er muss lavieren zwischen seinen persönlichen Empfinden - dass ist nicht nur seine Liebe zu Louise, sondern auch seine Einstellung zu Recht, Gerechtigkeit, Menschlichkeit – und den Erfordernissen der Zeit sowie den Ansprüchen seines Vaters. In der Gegenwart erlebe ich bei einer Fahrradtour der Schwestern die Schönheiten von Neufundland. „...Hunderte Meter unter ihnen schlugen die Wellen mit lauten Getöse gegen die steinigen Felsen und ließen Gicht aufsteigen. Vor ihnen schimmerten die Umrisse riesiger Eisberge...“ Beide Handlungsstränge verfügen über eine hohe innere Spannung. Während diese in der Gegenwart durch die menschlichen Befindlichkeiten und die komplexen Beziehungen aufgebaut wird, liegt sie in der Vergangenheit in den gesellschaftlichen Verhältnissen. Mehrere Male geht es um das nackte Überleben. Ab und an gestattet mir die Autorin einen kleinen Einblick in den Widerstandskampf gegen das Regime. Was man nicht weiß, kann man nicht verraten. Deshalb bleibt es in den Gesprächen bei vagen Andeutungen. In beiden Zeitabschnitten werden die Protagonisten mit der folgenden Tatsache konfrontiert: „...Es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht beeinflussen. Die passieren einfach. Ob man will oder nicht...“ Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Für ein Debüt ist es von hoher erzählerischer Qualität. Außerdem zeugt es von exakter Recherche der Autorin. Mit dem Lebensmotto von Annas Großmutter möchte ich meine Rezension beschließen: „...Morgen sieht die Welt wieder anders aus, und jeder Tag kann der Anfang einer neuen Geschichte deines Lebens sein...“

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