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Enttäuschend Katharina Döbler erzählt mit "Deiin ist das Reich" die - teilweise fiktionalisierte - Geschichte ihrer Großeltern. Diese waren Teil der Missionarsbewegung , die in Neuguinea, die Ende des 19. Jahrhunderts das Kaiser-Wilhelm-Land übernahmen. Dieser Teil der deutschen Geschichte ist nicht oft Gegenstand von Büchern, weswegen ich sehr gespannt war, was Döbler darüber zu erzählen hat. Die Kolonialisten waren überzeugt von ihrer Arbeit, sie wollten die heidnischen Ureinwohner bekehren und dem christlichen (protestantischen) Glauben zuführen, sie aus ihrer niederen und unzivilisierten Welt befreien. Nur ihr Weg hin zum Glauben war der richtige, die abergläubischen und heidnischen Riten wurden als Teufelswerk verbannt. Die Missionare stehen oben, die anderen Völker unten. Dies hat zur Folge, dass die damaligen Ansichten geprägt waren von Vorurteilen sowie herablassenden und rassistischen Äußerungen. Was damals Gang und Gäbe gewesen sein mag, hat heute für mich keinen Platz mehr in Literatur. Doch leider übernimmt Döbler diese Ausdrucksweise nahezu unkommentiert. Sie schreibt zwar "Sie hatte dabei geholfen, den Neuguineern den Schmerz der Unterlegenheit zuzufügen, ihnen ihre Würde zu nehmen und ihr Land und ihre Kultur. Das war Beihilfe zu einem weitreichendem Verbrechen, das nur zu verdammen war, und ich verdammte es, aus vollem Herzen.", doch solche Vorwürfe werden erst ab ca. 60% des Buches verstärkt eingebracht. Das ist für mich zu spät und ich finde, in der heutigen Zeit muss man hier kritischer und bedachter schreiben. Man kann das Gefühl und Verhalten von damals auch anders verdeutlichen. Hätte mich nicht schon die Sprache enorm abgeschreckt, so wäre ich spätestens beim Aufbau des Buches ins Stolpern geraten. Döbler schreibt in Form der Enkelin, die die Geschichte ihrer Großeltern entdeckt. Letztere erarbeitet sie in Form eines Berichtes, der das Leben der Großeltern vor und während der Kolonialisierung schildert. Diese Berichte sind immer wieder durchbrochen von kürzeren Passagen der Ich-Erzählerin, in denen sie mehr oder weniger die Gegenwart schildert. Leider herrscht zwischen beiden Erzählsträngen ein nahezu fließender Übergang, so dass es mir oftmals - v.a. am Anfang - schwer fiel, direkt zuzuordnen, in welcher Zeit und bei welchen Protagonisten ich mich jetzt befinde. Beim Wechsel von der Gegenwart zur Kolonialzeit streut sie Bilder ihrer Großeltern ein. Diese Bilder werden dem Leser jedoch nicht direkt gezeigt, sondern lediglich in ausführlichen Worten beschrieben. Dieses Stilmittel ist zwar ungewöhnlich, hat mich aber eher genervt als dass es mir für den Lesefluss geholfen hätte. Größtenteils habe ich diese Absätze dann auch einfach übersprungen. Auch das Leben in der Kolonie, die familiären und nicht-familiären Beziehungen, der Umgang mit den Ureinwohnern werden sehr ausschweifend geschildert. Das Erzählte fühlt sich oftmals zäh an und so habe ich für diese 430 Seiten auch sehr lange gebraucht, da ich mich immer wieder zum Weiterlesen aufraffen musste. Döbler hat es nicht geschafft, mir ihre Figuren oder deren Leben in irgendeiner Form näher zu bringen, niemand sticht so wirklich heraus und so vermischt sich oft alles. Bei den Dialogen verzichtet Döbler auf jegliche Anführungszeichen, was mich jedoch nicht wirklich gestört hat. Viele hatten damit Probleme, doch die redenden Personen erschließen sich gut fand ich. "Dein ist das Reich" endet mit dem 2. Weltkrieg und im Unterschied zu den vorherigen Aspekten des Buches mochte ich Döblers Herangehensweis ehier sehr. ZUm ersten Mal konnte ich eine Art Verbindung zu den Figruen aufbauen, ich konnte ihre Gedanken nachvollziehen. Sehr eindrücklich schildert sie hier das Aufkommen Hitlers, den die beiden Hauptfamilien erst aus der Ferne und später hautnah miterleben. Die Abscheu der einen und die Begeisterung des anderen stehen sich hier gegenüber. Ich hätte mir gewünscht, dass Döbler auch den Rest des Buches über so intensiv und lebensnah aufgebaut hätte. Doch leider ist "Dein ist das Reich" in dieser Form weitestgehend eine Enttäuschung.