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Merle

Posted on 28.6.2021

Also erstmal: ich finde es so so toll, dass es mehr deutsche LGBTQ+ Own Voices Bücher bei großen Verlagshäusern wie Heyne gibt. Da fällt mir nämlich neben der Love is Love Reihe von Sophie Bichon nur "A New Season" von Marnie Schaefers bei Ravensburger ein. Und in der Someone-Reihe von Laura Kneidl (LYX Verlag) gibt es auch einen LGBTQ+-Charakter, aber es ist kein Own Voices Buch. Es ist einfach schön zu sehen, wie auf dem deutschen Buchmarkt mehr Diversität bei Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten aufkommt (ich rede hier von ursprünglich deutschen Büchern; Übersetzungen von queeren Own Voices Büchern gibt es ja sehr viele). Und deshalb wollte ich das Buch auch unbedingt haben und lesen, um einfach zu zeigen, dass an diversen Own Voices Büchern ein großes Interesse und großer Bedarf besteht. (Sophie Bichon ist Pansexuell, und mindestens eine Protagonistin ist auch pansexuell - die andere ist entweder auch pan, bi oder lesbisch, das habe ich jetzt zwei Monate später nicht mehr ganz parat) Aber als Buch an sich war "Und ich leuchte mit den Wolken" für mich nur okay. Erstmal konnte ich Lilous und Mignons Sicht nie auseinanderhalten; es klangen beide genau gleich für mich, was ich sehr schade fand. Dann fand ich es inhaltlich sehr schade, dass es eine Beziehung zwischen einer geouteten und einer nicht-geouteten Person ist, und das bevorstehende Outing ein Konflikt-Punkt zwischen den beiden bildet. Das habe ich schon 1000 Mal gelesen... Auch mit dem Schreibstil bin ich nicht wirklich klargekommen. Er war sehr poetisch und voller Metaphern, was ich an sich mag. Aber mir hat da zwischendurch mal belangloser Small Talk gefehlt; irgendwas einfach geschriebenes ohne tausend Adjektive und Philosophische Ergüsse. Weil so war das für mich nicht realistisch... ich habe noch nie eine Person getroffen, bei der wirklich jeder Satz und jede Aussage mit philosophischem Mehrwert und so elegant war, wie es hier im Buch der Fall war. Mich persönlich hat es auch gestört, dass jede französische Aussage direkt dahinter nochmal auf Deutsch in der wörtlichen Rede stand. Natürlich kann nicht jeder Französisch, aber da gibt es elegantere Wege, um die Worte zu übersetzen; z.B. im Fließtext die Bedeutung umschreiben. Oder auch einfach ein paar Worte nicht übersetzen. Man muss nicht jedes Wort 1 zu 1 verstehen und idealerweise ergibt sich die Bedeutung auch aus dem Kontext. Dann gab es ein paar Szenen, über die ich negativ gestolpert bin. Zum Beispiel der Spitzname "Pocahontas". Lilou ist eine Weiße Frau mit Dreads und einem Mandala-Tattoo (allein schon diese Fakten sorgten ja für Kritik bezüglich Kultureller Aneignung). Und diese beiden Äußerlichkeiten bringen Mignon dazu, ihr den Spitznamen Pocahontas zu geben...? Kurzer Geschichtsexkurs: Pocahontas war eine Indigene Frau/ eine Native American, die Anfang des 17. Jahrhunderts durch britische Kolonisten gefangen wurde, "zivilisiert" werden sollte, sprich sie wurde christlich getauft, mit einem Briten verheiratet, wurde dann in London als "zivilisierte Wilde" vorgeführt und starb kurze Zeit später... ist das wirklich ein passender Spitzname für eine Weiße Person? Und dann sagt Mignon irgendwo, dass es ihr egal sei, ob Lilou eine Frau, ein Mann oder ein Alien sein; sie hätte sich trotzdem verliebt. Das mit dem Alien finde ich super unpassend. Für mich sagt dieser Satz, dass alles, was nicht Mann oder Frau ist, ein Alien ist… Für mich wertet dieser Satz nicht-binäre Personen komplett ab. Außerdem ist für mich der Plot etwas untergegangen, denn: Lilou will ja nach Paris, um ihre Mutter wiederzufinden. Und als sie Mignon trifft, geht das ganze total unter... es wird in einmal noch erwähnt, und dann kommt am Ende so eine Art "Auflösung", aber ich hätte mir da mehr Erwähnungen gewünscht. Das Ende fand ich generell nicht so gut... ACHTUNG SPOILER!! Es kommt ja raus, dass Lilou mit Benoît und François verwandt ist, und ich persönlich hätte es besser gefunden, wenn es da keine familiäre Verbindung gibt; das war mir einfach ein zu großer Zufall. Die Szene mit Vera zum Abschluss war auch etwas an den Haaren herbeigezogen... SPOILER ENDE!! Fazit: Sophie Bichon schafft es auf jeden Fall, die Atmosphäre von Paris perfekt einzufangen und ich mag ihren poetischen Schreibstil in Beschreibungen. In den Dialogen hätte ich mir mehr Banalität gewünscht. Ein paar Szenen/Formulierungen waren mir auch etwas quer... Ich habe einfach schon viele Bücher mit Sapphic Romance (=zwischen zwei Frauen) gelesen und im Vergleich zu denen war Und ich leuchte mit den Wolken einfach eher mittelmäßig. Ich denke nicht, dass ich den zweiten Teil lesen werde, der die Beziehung von zwei Männern im Fokus hat. Dafür habe ich einfach schon zu viele gute Gay Romance Bücher gelesen. Der dritte Teil allerdings wird es um eine polyamore Beziehung (= mit drei Leuten) gehen. Das habe ich so noch nie gelesen und bin da sehr gespannt drauf!

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