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Nachtblume

Posted on 28.6.2021

Ich habe das Buch eben beendet und mein Kopf ist eigentlich noch voller wirrer Gedanken dazu. Trotzdem möchte ich jetzt schon meine Rezension dazu schreiben, obwohl ich während des Lesens fest davon überzeugt war, überhaupt keine schreiben zu wollen. Ewigkeiten bin ich um dieses Buch herum geschlichen. Letztlich konnte ich mich nie dazu durchringen, es mir zu kaufen und habe es vor Kurzem von einer lieben Freundin geschenkt bekommen, die es selbst ungelesen aussortierte. Meine Erwartungen waren praktisch inexistent. Normalerweise lese ich auch gar keine Bücher über psychische Erkrankungen oder Suizide. Seit über einem Jahrzehnt bin ich selbst psychisch krank und oft mag ich die Darstellung in Büchern nicht. Als ich das Buch begann, war ich ehrlich gesagt wenig begeistert. Ich hatte sowieso schon schlechte Laune und Megs Special Snowflake Attitüde a la "Ich muss unbedingt ganz ganz anders sein als alle anderen" hat mich absolut genervt. Danach habe ich das Buch kurz pausiert und dann (also gestern, von dem Tag aus gesehen, an dem ich das tippe) nochmal neu angefangen. Diesmal konnte es mich richtig fesseln. Es hat mir so gut gefallen. Der Schreibstil war nicht diese 08/15 Art und die Atmosphäre hatte was Besonderes. Eine Mischung aus mysteriös, spannend und emotional. Es hat mich vom Fleck weg gepackt und ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Durch den Schreibstil konnte ich mich vollends in die Geschichte fallen lassen und es war so, als würde ich Cody auf ihrer Reise begleiten. Als wäre ich hautnah mit dabei. Als hätte ich selbst Meg ebenfalls verloren. Gleichzeitig fand ich auch einige parallelen zu Meg. Auch wenn bei mir, trotz Depressionen, Suizid nie ein ernster Gedanke war, kenne ich diese Lebensmüdigkeit. Ich kann mich total damit identifizieren, viel zu viel zu schlafen und verschlossen zu sein. Genauso kenne ich aber auch Codys Seite der Geschichte und weiß, wie sie sich fühlen muss. Cody ist mir echt ans Herz gewachsen. Genauso wie viele andere Nebenfiguren wie Joe & Sue, Richard, Harry, Ben und Alice. Zuerst wirken sie so unscheinbar, aber irgendwann merkt man, wie wichtig sie für die Geschichte und für Cody sind. Cody ist auf der Suche nach Antworten für eine Frage, die niemand mehr beantworten kann. Auf ihrem Weg trifft sie auf viele verschiedene Menschen und irgendwann merkt man, dass sie zwar Meg verloren hat, aber durch ihren Verlust so viele gute neue Freunde gewonnen hat. Bis zum Ende wusste ich nicht, wo die Autorin mit mir hin möchte. Wo soll die Geschichte enden? Was soll sie aussagen? Was soll es mir bringen, das Buch zu lesen, wenn ich doch schon weiß, dass Meg tot ist? Was kann ich hier überhaupt erwarten? Aber letztlich war das irgendwie total nebensächlich. Das hier und jetzt der Geschichte war immer so packend, dass mich gar nicht interessierte, wo ich irgendwann landen würde, weil ich einfach nur auf der jeweiligen Seite klebte und meine Gedanken vollends im "hier und jetzt" der Story waren. Es gab immer einen neuen Punkt, auf den man etappenweise hinarbeitete. Die Fragen, die das Buch aufwirft, sind richtig und wichtig. Viele Aussagen haben mich zum Nachdenken gebracht und lassen sich sehr frei interpretieren, was ich gerne mag. Vor allem, weil man hier auch gut sieht, wie unterschiedlich ein und dieselbe Aussage von Menschen interpretiert werden kann, die einen unterschiedlichen Lebenswillen haben. Die Darstellung von Depressionen finde ich persönlich unheimlich gut gelungen und vor allem die Anmerkung der Autorin, am Ende des Buches, halte ich für absolut lesenswert und -notwendig! Irgendwie rundet sie die Geschichte damit nochmal mehr ab. Das Buch hat mich absolut berührt. Es hat mich aufgewühlt, schockiert, zum Weinen gebracht und erschüttert. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sich hinter "Irgendwas von dir" (den englischen Titel "I was here" mag ich einen Ticken lieber) so ein unfassbar gutes, bewegendes Werk verbirgt. Ab hier ist meine Rezension zu Ende und es folgt ein kleiner Spoiler bzgl. einer Aussage über Suizid, die mir im Gedächtnis geblieben ist: Eine Stelle hat mir besonders gut gefallen. Auch, wenn ich überhaupt nicht religiös oder gläubig bin. Richard erzählt Cody, dass sein Vater (der Pfarrer ist) Suizid als Sünde ansieht, weil man damit die Hoffnung tötet und alles, was Hoffnung tötet, sei eine Sünde. Ich bin niemand, der Menschen verurteilt, die sich getötet haben und grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder frei entscheiden dürfen sollte, ob er leben möchte, oder nicht. Aber diese Sichtweise darauf fand ich doch irgendwie sehr poetisch und sehr schön.

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