thoronris
Mit dem Roman „Die Akte Adenauer“ ist Ralf Langroth ein starker Auftakt seiner Reihe um den Ermittler Philipp Gerber gelungen. Umfassende Recherche zu den politischen und historischen Hintergründen werden vor der authentisch erzählten Kulisse des Deutschlands der 50er Jahre zum Leben erweckt. Dieser Polit-Thriller hat sehr viele Stärken, die fast ausreichen, die wenigen Schwächen vergessen zu machen. Akribische Recherche und passender Spannungsbogen Von der ersten Seite an habe ich mich in das Deutschland der 50er Jahre zurückversetzt gefühlt. Das Biedere, aber auch das Hoffnungsvolle dieser Zeit springt einen beim Lesen förmlich an. Mit Philipp Gerber, dem Amerikaner im Auftrag des CICs, gibt es gleichzeitig eine Figur, die modern genug wirkt, um den Leser abzuholen. Als eigentlich Deutscher, der nur kurzfristig für das BKA und die Sicherungsgruppe Bonn ermitteln soll, ist er ebenso zerrissen wie das Land, in dem er tätig ist: Der Krieg ist noch gar nicht lange her, und während einige am liebsten alles vergessen und nur nach vorne sehen wollen, sind andere nicht bereit, den Traum von Größe, den sie unter der nationalsozialistischen Diktatur hatten, aufzugeben. Neben Philipp Gerber, der ebenso intelligent wie abgebrüht und erfahren ist, lernen wir diverse politische Figuren und andere Ermittler kennen, die zum größten Teil ein ganz eigenes Spiel zu spielen scheinen. Wie es sich für einen Polit-Thriller gehört, entsteht beim Leser ganz schnell der Eindruck, dass überhaupt nicht klar ist, wem Gerber eigentlich trauen kann. So wie er sich also ständig umdrehen muss, so ist auch der Leser stets auf der Hut, vermutet hinter jeder neuen Figur den eigentlichen Drahtzieher der Verschwörung. So kommt Langroth mit einigen wenigen actiongeladenen Szenen aus, um Spannung aufzubauen, da unsere Nerven beim Lesen sowieso schon zum Zerreißen gespannt sind. Geschickt streut der Autor auch entlang des Weges kleinere Hinweise hier und da ein, Sätze, die einen aufmerksamen Leser innehalten lassen – und am Ende wird man belohnt, wenn der Verdacht, den man noch vor Gerber hatte, sich als richtig herausstellt. So macht das Lesen Spaß, denn auch, wenn man vielleicht das Wer ein wenig schneller weiß als der Ermittler, klärt sich doch die Frage des Warums erst am Ende. Es wird Seite um Seite spannender, bis die Auflösung am Ende hart erfochten und wohl verdient ist. Unpassende Stolpersteine Umso unschöner ist es, dass man offenbar der Meinung war, dass ein solide ermittelter Polit-Thriller alleine nicht ausreicht. Wir bekommen regelmäßig kleine Einschübe, die uns die Sicht der lange Zeit namenlosen Verschwörer zeigen, doch für mich trug dies nie zur Spannung bei. Auch ohne diese Einschübe wusste ich, dass die Verschwörer hinter jedem Busch lauern könnten. In meinen Augen hätte es diesen Griff in die Trickkiste nicht gebraucht. Ebenso enttäuscht war ich von dem romantischen Nebenstrang der Erzählung. Nicht, dass ich etwas gegen Romantik in einem Thriller hätte, im Gegenteil. Doch hier wird er in meinen Augen schlecht ausgeführt. Die Figur, mit der Gerber eine Affäre beginnt, ist zentral wichtig für den Plot, aber es braucht dafür die Liebe nicht. Ebenso war für mich unbegreiflich, wie sich Gerber derart chauvinistisch verhalten kann und trotzdem auf Zuspruch stößt. Gewiss, andere Zeiten waren es damals, aber der Roman ist heute geschrieben, da könnte man eine aufkeimende Beziehung ohne solche Bevormundung durch den Mann anfangen. Die Frau ist ein spannender Charakter, doch obwohl sie so wichtig für Gerbers Ermittlungen ist, wird sie immer mehr degradiert zur Damsel in Distress, der schönen Frau, die durch den starken Mann gerettet werden muss. Das hat mich mehrmals stolpern lassen, was schade ist. Auch dass am Ende der Bösewicht, der schon aufgrund seiner politischen Ausrichtung verabscheuungswürdig ist, noch schnell eine weitere, heftige Charakterverfehlung angedichtet bekommt, war seltsam. Reicht es nicht aus, rassistisch zu sein, um offensichtlich nicht zu den Guten zu gehören? Fazit Der Polit-Thriller „Die Akte Adenauer“ macht viel richtig und hat in mir die Lust geweckt, mehr über die jüngere Geschichte Deutschlands zu lernen. Mit Philipp Gerber ist zudem ein Ermittler erschaffen worden, von dem ich auch in Zukunft gerne noch mehr lesen will. Auch wenn einige Details in der Ausführung mir nicht gefallen haben, hat mich das Buch doch stets gefesselt und unterhalten.