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Handlung: "Long Distance Playlist" ist ein klassisches 4-Sterne-Buch: wahnsinnig süß, unterhaltsam, gut gemacht, an einigen Stellen aber mit ein paar kleinen Schnitzern. Zu Beginn benötigt die Geschichte eine ganze Weile, um anzulaufen, da wir uns zunächst mit dem ungewohnten Erzählformat und den speziellen Lebensumständen der Figuren anfreunden müssen. Die Handlung besteht nämlich zu großen Teilen daraus, dass Taylor und Isolde per moderner Brieffreundschaft Vergangenes und Themen, die sie beschäftigen rekapitulieren und sich Ratschläge geben. Auf der reinen Handlungsebene passiert dabei nicht ganz so viel und einige Fragen bleiben zunächst ungeklärt. Warum die vormals besten Freunde sich entfremdet haben, weshalb sich Taylor nun wieder bei Isolde meldet und was der Grund ist, dass sie sich ihre Gefühle selbst nicht eingestehen, erfahren wir erst nach und nach. Ab dem Punkt, an dem alle Geheimnisse aufgedeckt sind, ist die Geschichte dann im Großen und Ganzen recht vorhersehbar. Ein dritter Kritikpunkt an der Handlung neben Anfang und Vorhersehbarkeit ist das Ende, das wahnsinnig abrupt endet. Ich wollte gerade umblättern und das nächste Kapitel lesen, da stand da plötzlich "Danksagung" und ich dachte nur "Hä, das war es jetzt?". Klar, rückblickend bewerte ich das Ende schon als rund und angemessen offen, es hat mir aber trotzdem ein bisschen die Vorwarnung gefehlt. Schreibstil: Zu Tara Eglingtons Schreibstil kann ich gar nicht viel besonderes festhalten, da er gemäß des Young-Adult-Genres sehr einfach und leicht gehalten ist. Mir gefällt aber sehr gut, wie flüssig die Einbindung moderner Medien in die Geschichte gelungen ist. Neben kurzen Kapiteln aus der Sicht von Taylor und Isolde besteht "Long Distance Playlist" nämlich vor allem aus vielen Chatverläufen, Emails, Briefen, Notizen und natürlich - wie der Titel schon verrät - Playlists. Ein weiteres Merkmal, dass diesen Roman von anderen seines Genres abhebt, ist das Setting. Anders als 90% der Bücher auf dem Markt ist "Long Distance Playlist" kein Highschooldrama, sondern spielt in Australien und Neuseeland. Um die Schule, oder anderweitige soziale Kontakte geht es kaum, die vorherrschenden Themen sind hier Ballett, Snowboarding, Amputation, Trennung der Eltern, Krebs und natürlich das Friends-to-Lovers-Motiv, das hier im Mittelpunkt steht. Diese Mischung ist freilich etwas, was man nicht alle Nase lang liest und so konnte Tara Eglingtons Geschichte ordentlich Bonuspunkte sammeln. Figuren: Sehr ans Herz gewachsen sind mir auch die beiden Hauptfiguren Taylor und Isolde, die mit 15 und 17 Jahren zwar nicht mit den typischen Problemen von Teenagern kämpfen müssen, beide aber auf der Suche nach ihren Träumen sind. Während Isolde damit ringt, was sie für das Ballett alles aufgeben musste und ob es ihr großer Traum überhaupt wert ist, hadert Taylor mit dem Unfall, der ihn nicht nur ein Teil seines Beins, sondern auch seine Aussicht auf eine Profikarriere als Snowboarder gekostet hat. Durch den Handlungszeitraum von über einem Jahr können wir der Entwicklung und Entscheidungsfindung der beiden zusehen. Dem Alter der beiden geschuldet spielen auch die Familien der zwei eine große Rolle, manche Äußerungen und Gedanken standen aber leicht im Widerspruch zu ihrem jungen Alter. Besonders die stimmige Entwicklung ihrer Nähe trotz der räumlichen Distanz hat mir aber gut gefallen. Die Zitate: Taylor: "Ich glaube, deshalb macht mich der Gedanke an das Treffen mit Issy besonders nervös. Sie ist nicht nur ein Mädchen. Sie ist DAS Mädchen. Das wichtigste Mädchen in meinem Leben." Isolde: "Das Leben um mich herum bewegt sich. Ein Gemisch aus Farben, Geräuschen und Aktivität. Aber ich blende alles aus und konzentriere mich auf mein Inneres, um die Balance zu halten. (...) Ich habe das Gefühl. dass die Teile von mir, die mal kräftig und hell waren, zu Wasserfarbe geworden sind. Ein verwaschener Pinselstrich, der groß und fett mit BALLETT überschrieben wurde. Ich bin verblasst." Isolde: "Es schneit. Jede Schneeflocke ist ein Adagio, ein langsamer Tanz aus dem dunklen Nachthimmel zu uns herab. Ich strecke die Hand aus, um eine zu fangen, denn ich bin sicher, dass es nur eine Illusion ist. Doch als die Flocke innerhalb eines Herzschlags auf meiner Fingerspitze schmilzt, weiß ich, dass es echt ist. Jetzt wird es mir klar. Der letzte Tag, den ich mir neulich gewünscht habe, der Tag, an dem ich weiß, dass das Ende naht und ich jeden Moment in mir aufsage, bevor er wegschmilzt - dieser Tag ist heute." Das Urteil: "Long Distance Playlist" überrascht mit ungewöhnlichen Themen, einem unverbrauchten Setting und einer erstaunlich gelungenen Vermischung von Text und modernen Medien, die Handlung schwächelt jedoch an einigen Stellen. Tara Eglington erzählt zuckersüß, mitreißend und leicht melancholisch die Geschichte zweier Teenager, die sich über 1940 Kilometer hinweg verlieben...