Caillean
Ein schottisches Abenteuer! „Das Lied der Wölfe“ hat alles, was ein guter Unterhaltungsroman braucht – ein traumhaft schönes Setting in den schottischen Highlands, ein Traum-Paar (das erst noch zueinander finden muss), eine gute Portion Abenteuer und ein gutes Maß Dramatik. Wenn man diese Zutaten in einem guten Verhältnis mischt, erhält man den perfekten Roman. Und ist dieser Roman perfekt? Naja, zumindest geht es stark in diese Richtung ;) Mir hat besonders gefallen, wie die Autorin das Thema der Posttraumatischen Belastungsstörungen in dieses Buch eingebaut hat. Ihr Protagonist Nevis ist Militärangehöriger, der traumatisiert und versehrt von einem Afghanistan-Einsatz zurückgekommen ist. Wie er versucht, mit der Situation umzugehen, seine Empfindungen zu verstecken und möglichst unauffällig zu sein, ist gut nachempfindbar. Wer will sich schon gern den Stempel aufdrücken lassen, nach einem Kriegseinsatz nicht mehr „normal“ zu sein? Ich fand es aber gut, dass die Leser nicht nur seine Sichtweise kennenlernen, sondern auch, wie anders weitere Betroffene mit der gleichen Situation umgehen. So bekommen die Leser*innen ein umfassendes Bild dieser tückischen Krankheit und merken, wie vielfältig sie sein kann. Das Buch ist abwechselnd aus der Sicht von Nevis und der Wolfsforscherin Kaya geschrieben. In den jeweiligen Abschnitten, die durch unterschiedliche Schriftarten gekennzeichnet sind, sollen die verschiedenen Sichtweisen besonders zur Geltung kommen. Ich muss allerdings sagen, dass mir trotzdem im gesamten Buch die typischerweise weibliche Form des Erzählens aufgefallen ist, die sehr oft die tiefsten Empfindungen und Gefühle thematisiert. So konnte ich vom Stil her keinen Unterschied in den Gedankengängen von Nevis und Kaya feststellen, obwohl sie charakterlich sehr unterschiedlich sind. Hier hätte ich mir bei Nevis eine etwas andere Darstellung gewünscht, da sein Charakter eher von rationalen Entscheidungen und militärischer Ausbildung geprägt ist. Dennoch habe ich mich mit beiden Charakteren sehr wohl gefühlt und ihren Weg gerne verfolgt. Die Informationen über freilebende Wölfe, aber auch über Kreuzungen aus Wolf und Hund (Hybriden) waren sehr interessant und vieles davon habe ich bisher noch nicht gewusst, auch wenn ich schon einige Dokumentationen über die Wiederansiedlung von Wölfen gesehen habe. Für mich hätte das Wolfsthema auch gern noch mehr im Vordergrund stehen dürfen. Ich hatte während des Lesens mitunter den Eindruck, dass das Thema Traumabewältigung deutlich im Vordergrund steht. Aber das tut der Lesefreude keinen Abbruch, denn der Roman ist in sich stimmig und man hat nicht das Gefühl, dass ein Thema untergeht. Obwohl die Protagonisten mit Ende 20 relativ jung sind, ist das Buch keineswegs nur für Leser*innen dieses Alters geeignet. Aufgrund des Naturschutz-Themas und des psychologischen Aspekts können sich sicherlich auch deutlich ältere Leser*innen für das Buch begeistern. Hier stimmt einfach das Gesamtpaket und so würde ich das Buch uneingeschränkt als gute Unterhaltungslektüre für die Freizeit empfehlen.