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Lenislesestunden

Posted on 12.6.2021

Zusammen mit seinem großen Bruder wird Håkan von seinen Eltern aus seiner Heimat Schweden nach New York geschickt. Völlig überfordert von den Menschenmengen und den Eindrücken verlieren sich die beiden und Håkan landet vollkommen auf sich allein gestellt in San Francisco. Von da an hat er nur noch ein Ziel: seinen Bruder wiederfinden. Zu Fuß macht er sich auf den Weg durch das raue Land, in dem der Goldrausch die Menschen beherrscht. Er versteht weder die Sprache des fremden Kontinents, noch hat er Geld. Zwischen Gewalt, Armut und Gier beginnt eine Reise, die Jahrzehnte andauern soll und Håkan alles abverlangen wird. Hernan Diaz nimmt sich in “In der Ferne” den ganz großen Themen an: Einsamkeit, Verlust, Heimatlosigkeit, Freundschaft, Religiosität, Menschlichkeit. Mit meisterhafter Erzählkunst lässt er vor dem inneren Auge den “Wilden Westen” auferstehen und verknüpft diese Zeit in den USA mit der Geschichte eines entwurzelten Jungen, der in ein entbehrungsreiches, brutales Leben geworfen wird und Dinge erlebt und tun muss, die eigentlich unaussprechlich sind. Dieses Buch entwickelt von Anfang an einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. An einigen Stellen konnte ich kaum weiterlesen, weil mich das, was Håkan erlebt, so mitgenommen hat. Trotzdem findet er immer wieder Trost, selten in anderen Personen, dafür häufiger in der Natur. Immer wieder fragt man sich beim Lesen, wie kann ein Mensch das ertragen, mit welchem Antrieb ist so eine Reise überhaupt möglich? Und warum wird jemand, der nie etwas Böses getan hat, so schwer geprüft? Wie ein beständiges Summen im Ohr hat mich “In der Ferne” begleitet und tut es noch, denn es hat eine unglaubliche emotionale Wucht, hallt nach und lässt mich auch nachdem ich es beendet habe einfach nicht mehr los. Eines der besten Bücher, das ich in den vergangenen Jahren gelesen habe!

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