Buchhandlung Almut Schmidt Kiel
Ein Buch, das begeistert und inhaltlich vieles bietet. Eine mystische Ebene trifft auf die brutale Realität und wir tauchen beim Lesen ein in eine spannende Spurensuche. Anfänglich ist es die Sprache, die fast schon verzaubert, dann wächst der Handlungsverlauf an zu einer nervenaufreibenden Spannung, die eine Wirklichkeit beherbergt, die einen das Grausen lehrt. Katja Kettu zählt zu den wichtigen Autorinnen Finnlands. Ihr bisher größter Erfolg war der mehrfach ausgezeichnete Roman „Wildauge“. In „Die Unbezwingbare“ steht im Mittelpunkt Lempi, eine Frau, die sich auf eine Rückreise begibt und die Vergangenheit zu klären versucht. Ihre Eltern sind die Ojibwe Rose und der Finne Ettu. Somit geht es auch um die Geschichte der europäischen Auswanderer und ihre Beziehungen zu den Urvölkern Nordamerikas. Rose Feather war eine wilde und freie Frau und sie liebte ihren Mann, Ettu, und ihre Tochter Lempi sehr. Sie lebten in einem Ojibwe-Reservat. Vor fünfundvierzig Jahren ist Rose spurlos verschwunden. Ettu hat seitdem viele Vermisstenanzeigen gestellt. Doch waren diese bisher erfolglos und erhielten auch wenig Gehör. Ettu, selbst auch oft verdächtigt, verliert darauf hin langsam seinen Glauben und Verstand. Lempi hatte das Reservat verlassen und war in ein Internat gezogen. Stets hat sie mit ihrer Identität zu kämpfen. Sie wird weder bei den Finnen noch bei den Ojibwe gänzlich angenommen. Dies erlebte sie bereits zu Schulzeiten und musste sich stets behaupten. Im Reservat war sie zu weiß, außerhalb nicht weiß genug. Rose wird weiterhin vermisst und jetzt ist erneut ein Mädchen verschwunden. Ettu scheint sich zu erinnern und er bittet Lempi zu kommen. Somit kehrt Lempi in das Reservat in Minnesota zurück. Lempi schreibt Briefe an Jim Graupelz, den sie seit ihrer Jugend kennt. Ettu übergibt Lempi Briefe von Rose, die sie nun erstmals liest. Als damals immer wieder Mädchen im Reservat verschwanden, wollte Rose dem Verbrechen auf die Spur gehen. Doch stieß sie dabei auf Widerstand und verschwand dann ebenfalls spurlos. Es ist ein Roman, der sich gänzlich im Leser entfaltet. Durch die poetische Sprache und den Handlungsverlauf vertieft man sich zügig im Text. Es geht um Identität, Gewalt und Missbrauch. Ein Werk, dem man sich aber öffnen muss und bei dem man sich ganz auf den Stil und die weitere Entwicklung einlassen sollte. Durch die Briefe von Lempi und Rose springt die Erzählperspektive zwischen 2018 und 1973. Neben den Themen der Unterwerfung der amerikanischen Urbevölkerung, also dem Rassismus, geht es um Ideale, Hass und Feminismus. Ein wunderbar geschriebener Roman, der aber innerhalb der poetischen Sprache eine nackte Brutalität, die aus Realität geboren ist, verbirgt. Ein wichtiges und mehr als lesenswertes Werk. Aus dem Finnischen übersetzt von Angela Plöger.