Buchhandlung Almut Schmidt Kiel
Der Inhalt des Romans ist einem authentischen Fall nachempfunden. Der Autor schafft aus den Materialien um den Fall ein fiktives Werk und haucht den Protagonisten mit sehr viel Empathie Leben ein. Durch die Verwendung von Bildern und den unglaublich gekonnten Spracheinsatz entsteht ein Leserausch. Es sind zwei Hauptstränge, die sich vereinen und die beiden Protagonisten werden durch ihre Taten oder durch ihr Umfeld isoliert. In dem Refugium erlernt die Frau das Beobachten und er in seiner Haft das genaue Hören. Beides sind dramatische Figuren, die kurzweilig ein Gespür für bescheidenes Glück bekommen. Der Autor lässt mit seinem Werk die ländliche Schweiz des frühen 20. Jahrhunderts aufleben. Der Fall, der zu diesem Roman inspirierte, beruht auf einem Verbrechen des Jahres 1914. Es handelt von einem Mädchen, die lange auch nur so genannt wird, bis sie, mit voranschreitendem Alter, den Namen Agatha bekommt. Sich selbst wird sie der einfachheitshalber Aga nennen. Der auktoriale Erzähler schaut bei seinen Charakteren ganz genau hin, spürt sich ein und berichtet ohne Wertung über deren Werdegänge. Denn es taucht später noch Zenz beziehungsweise Torecht auf. Agatha und Torecht haben beide ein schicksalhaftes Leben und stammen aus armen Verhältnissen. Doch erleben beide Ähnliches, aber dennoch gänzlich Unterschiedliches. Anfänglich tauchen wir ein in die Welt des Opfers, um ab der Hälfte des Romans den Blick auf den Täter zu werfen. Agathas Geburt ist bereits dramatisch und raubt der Mutter das Leben. Das Kind wird taubstumm geboren. Der Vater gibt das Kind in seiner Trauer zur Pflege ab und als dieser kurz darauf auch stirbt, wird sie in eine Armen- und Idioten-Anstalt gebracht. Dort lebt sie in sich isoliert und muss niedere Arbeiten ausführen. Dabei wird sie immer mehr zu einer stillen und genauen Beobachterin, denn die Laute in ihrer Umgebung dringen nicht zu ihr durch. Sie lernt die Handarbeit und entwickelt darin eine Begabung. Sie bekommt als junge Frau eine Einstellung in einer Textilfabrik. Das Glück wirkt greifbar, doch erkrankt sie an Tuberkulose und wird zur Erholung aufs Land geschickt. Täglich geht sie hier mit ihren Handwerksutensilien in die Natur und gerne in den Wald. Hier beobachtet sie Torecht und sie wird eines Tages nicht zurückkommen. Torecht hat sich als Waldmensch in die Natur zurückgezogen und aus der Gesellschaft verabschiedet. Er empfindet wenig Empathie und hat Probleme, Gut und Böse, Recht und Unrecht zu differenzieren. Es kommt zu einer Verhandlung, in der sein Werdegang zum Täter dargelegt wird. Er hat sich bereits als Kind mit Lügen und Stehlen durchgeschlagen. Auch für ihn ist das Glück kurzzeitig zum Greifen nah, als er als Model in die Künstlerkreise gerät. Er reist sogar mit einem Künstler nach Paris, um aber dort etwas später fallengelassen zu werden. Er kehrt zurück in die Wälder seiner Heimat. Dieser Roman lebt durch die literarische Sprache. Eine ganze Welt entsteht durch die begeisternde Prosa. Die Handlungen und die Charaktere sind subtil und dennoch mit einer enormen Größe gezeichnet. Beide Lebensläufe erhalten eine eindringliche Glaubhaftigkeit. „Krumholz“ ist ein Sprachkunstwerk und beinhaltet eine sehr besondere Geschichte.