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Seitensuechtig

Posted on 6.6.2021

Tw: physische und psychische Gewalt, Tod, suizidale-Gedanken, Depression, (sexueller) Missbrauch, Tierquälerei Wie geht man mit dem Tod (eines Familienmitglieds) um? Schon vor ein paar Wochen habe ich “Was man sät” von Marieke Lucas Rijneveld beendet. Seitdem hallt es in mir nach und es fällt mir schwer, eine vollkommene Empfehlung für dieses Debüt auszusprechen. Im Buch begleiten wir die zwölfjährige Jas, die in einer streng religiösen Familie auf einem Bauernhof irgendwo in den Niederlanden wohnt. Ihr Leben lief bisher nahezu normal ab, bis sie kurz vor Weihnachten ahnt, dass ihr Vater ihr Kaninchen mästet und schlachten möchte. Kurz entschlossen betet sie zu Gott und bittet ihn, doch lieber ihren Bruder anstelle des Kaninchen zu sich zu nehmen. Und Gott erhört Jas, denn noch am selben Tag bricht dieser ins Eis ein und ertrinkt. So steigen wir in die abgrundtiefe Handlung dieser Geschichte ein. Rijneveld schreibt in ihrem Debüt über die tiefsten Abgründe des Menschseins, über das Erwachsenwerden und über strengen Glauben, über Leere, Trauer und Zerissenheit. Und während des Lesens durchlebt man die verschiedensten Emotionen: Verstörtheit, Fremdheit, Ekel, Trauer, Fassungslosigkeit, aber auch Mitleid. Jedes Familienmitglied geht mit dem Verlust anders um, über den Tod wird jedoch nicht gesprochen, denn der Glaube verbietet dies. Letztlich zerbricht die Familie daran, woran vor allem die kindhafte Jas leidet, aus deren Perspektive wir die Handlung durchgängig verfolgen. Es ist bemerkenswert, was für Worte und Sätze die Autorin für die Gedanken der verstörten Zwölfjährigen findet. Durch den distanzierten und finsteren Schreibstil nimmt man die Geschichte unglaublich intensiv wahr und der Schreibstil festigt die Entfremdung der Protagonistin. Zu aller erst wirkt es so, als wäre die Tragödie der Auslöser für den Untergang der Familie. Nach und nach fällt einem jedoch auf, dass der Unfall die ungesunden bzw. schrecklichen Beziehungen nur schneller enthüllt. Obwohl das Buch verstörend und schwer zu ertragen ist und mich sprachlos zurückgelassen hat, bin ich dennoch zutiefst berührt und beeindruckt von diesem finsteren und sprachgewaltigen Debüt, welches definitiv nichts für schwache Nerven ist!

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