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gwyn

Posted on 3.6.2021

Das Buch «Ich bin Circe» von Madeline Miller, in dem sie Circes Geschichte aus Homers Odyssee neu interpretiert, habe ich verschlungen. Ein Roman voller Witz und schwarzem Humor. Durch «Das Lied des Achill» habe ich mich durchgequält und das ein oder andere Mal kräftig weitergespult. Das liegt wohl eher an meinem Geschmack, denn Madeline Miller kann wahrhaftig erzählen. Hätte ich gewusst, dass es sich hier in der Hauptsache um einen Liebesroman gehandelt, hätte ich gleich die Finger davon gelassen. Sehr melancholisch und und ausgewalzt kommt diese Geschichte nur langsam voran. Historische Ereignisse und Spannung verschwinden hinter dem Liebesvorhang. Das war nicht meins. Ich will auch nicht zu viel über die romantisch-erotische Erzählform lästern, über den wunderschönen, anmutigen, starken Achill mit seidener Haut und nach Blumen duftenden Haaren, dem jeder zu Füßen liegt, der ihn anblickt; seine Küsse schmecken nach Honig – es ist nicht mein Genre. Es beginnt mit dem Erzähler Patroklos, Sohn des Menoitios und der Sthenele. Er ist neun Jahre alt, als er sich als einer der vielen Königssöhne aufmachen muss, um als Bräutigam um die schöne Helena zu werben. Natürlich macht er sich lächerlich unter den gestandenen Männern, die anreisten, dabei auch der «Sohn des Laertes» (Odysseus). Dieser unbeholfene Prinz stellt etwas an, das dazu führt, ihn aus seinem Heimatland zu verbannen, um den Namen seines Vaters reinzuhalten. Und in der neuen Heimat bei König Peleus in Thessalien trifft er auf den Halbgott Achill, der sich in genau diesen unscheinbaren Patroklos verliebt und ihn zum Gefährten nimmt. Achill, wird weisgesagt, dass er der bedeutendste Krieger seiner Generation werden wird. Thetis tauchte ihn nach seiner Geburt in den Unterweltsfluss-Styx. An der Stelle, wo Thetis ihn am Fuß packte, konnte der Zauber der Unverwundbarkeit nicht wirken. Die Jungen werden vom Kentauren Cheiron in Kriegskunst und den Künsten ausgebildet. Aber eigentlich ist Achill so etwas wie ein Pazifist, er will auf keinen Fall in den Krieg ziehen. Seine Mutter, die Göttin Nereide, versteckt Achill und Patroklos am abgelegenen Königshof des Lykomedes. Doch Odysseus spürt Achill auf und kann ihn merkwürdigerweise ruckzuck überreden, in den Feldzug gegen Troja mitzuziehen, die schöne Helena zu befreien. Aber bis sie in Troja anreisen passiert nicht allzu viel, es zieht sich wie Kaugummi bis zur Mitte des Romans. Klar, Götter mischen sich ein – aber hier war für mich an vielen Stellen Spulen angesagt. Alle Helden Griechenlands sind aufgerufen, gegen die Spartaner in den Kampf zu ziehen, um die griechische Königin zurückzuerobern. Griechenland? Griechische Königin? Griechenland gab es doch gar nicht! Na gut. Ab dem trojanischen Krieg wird es dann ein bisschen spannender – ein bisschen. Im zehnten Kriegsjahr schickt Apollon eine Seuche über die Krieger als Strafe für Agamemnon. Immerhin haben die anscheinend ein gutes Seuchenmanagement, denn die ist verschwunden, so wie sie kam. Achill ist stinkig und verlässt das Schlachtfeld: der «Zorn des Achill», in der Ilias besungen. Als aber Patroklos in der Rüstung des Achill dem Heer zur Seite steht, stirbt er in der Schlacht durch Hektor. Achill will er sich an Hektor rächen, dem stärksten Kämpfer der Troer. Er tötet ihn und aus Rache lenkt dann Apollon einen Pfeil des Paris auf Achills verwundbaren Ferse (die bekannte Achillesferse). Achill stirbt. Es ist und bleibt ein sentimentaler Liebesroman. Patroklos, der Erzähler, stirbt kurz vor seinem Liebsten, erzählt uns die Geschichte trotzdem weiter – kein Problem. Für mich eine gute Lösung. Für Liebesromanleser eine Empfehlung. Für die anderen: Nicht wirklich ein überzeugendes Werk zur griechischen Mythologie des Achilleus, Achill oder Achilles, auch Pelide, Aiakide oder Pyruus genannt. Madeline Miller, 1978 in Boston geboren, wuchs in New York und Philadelphia auf, studierte Altphilologie und unterrichtete in Cambridge Latein und Griechisch. Für ihren Debütroman Das Lied des Achill wurde sie 2012 mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet; er wurde in 25 Sprachen übersetzt. In ihrem zweiten Roman Ich bin Circe erzählt sie Circes Geschichte aus Homers Odyssee noch einmal neu – als die einer weiblichen Selbstermächtigung. Madeline Miller lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Nähe von Philadelphia, Pennsylvania.

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