nina 🌸
Eine intensive und prickelnde Liebesgeschichte mit faszinierenden Charakteren. Zur Geschichte: Vorneweg muss ich gestehen, dass ich diese Buchreihe nie lesen wollte, weil sie mich überhaupt nicht angesprochen hat, aber dann erhielt ich zum Geburtstag eine Buchbox mit dem ersten Band der "All Saints High"-Trilogie, dem Spin-off zu dieser Reihe und habe es so, so sehr geliebt, dass ich die ursprüngliche Reihe unbedingt noch lesen musste. Mir persönlich liegt viel daran, hier noch einmal ganz klar zu betonen, dass ich Vicious Verhalten Emilia gegenüber (und auch gegenüber vielen anderen Menschen) keinesfalls billige oder in irgendeiner Weise für gerechtfertigt halte - im Gegenteil: es ist mehr als kritisch und verwerflich und sollte keinesfalls als etwas anderes angesehen werden. Dennoch habe ich dieses Buch geliebt und in dieser Reihe mein "guilty pleasure" gefunden. In meinen Augen kann man Bücher wie dieses auch definitiv gerne lesen, sofern man sich darüber im Klaren ist, wie falsch Vicious Verhalten ist und dass dieses Buch keine (!) Werte und Vorstellungen vermittelt, die man adaptieren sollte. Ich bewerte dieses Buch hier unabhängig von diesem kritischen Verhalten mancher Charaktere. Vicious mag ein Arschloch sein, das seinem Spitznamen wirklich alle Ehre macht, aber die Komplexität seines Charakters konnte mich auch faszinieren. Der Kontrast zwischen den beiden Protagonist:innen ist stark, aber genau das macht diese Geschichte so spannend. Zwischen Emilia und Vicious fliegen die Fetzen, es knistert und brodelt. Beide sind stur und temperamentvoll und liefern sich hitzige Wortgefechte. Zwischen den beiden lodert ein Feuer der Leidenschaft, das vor Emotionen nur so überquillt und mich restlos begeistern konnte. Die Dynamik zwischen den beiden ist einzigartig, intensiv und alles verzehrend. Ich habe eingangs gesagt, dass ich Vicious kritisches Verhalten hier nicht mitbewerten möchte, dennoch komme ich nicht umhin erneut zu betonen, dass seine Beziehung zu Emilia mehr als toxisch ist. Vicious ist besitzergreifend und stellt sich ganz klar über Emilia. Diese bietet ihm zwar meist Paroli, aber von einer gesunden Beziehung auf Augenhöhe kann man bei den beiden trotzdem nicht sprechen, zumindest nicht in der ersten Hälfte der Geschichte. Emilia war genau das, was Vicious brauchte, aber er tat ihr zum damaligen Zeitpunkt alles andere als gut, das darf nicht vergessen werden. So schwierig und in vielerlei Hinsicht kritisch diese Beziehung auch ist, so konnte sie mich doch voll und ganz in ihren Bann ziehen und mitreißen. Ich habe bis zum Ende mitgefiebert und dabei förmlich an den Seiten geklebt. Diese Geschichte macht süchtig! Auf emotionaler Ebene ist dieses Buch zwar gut aufgestellt, aber nicht ganz so stark wie ich es erwartet bzw. mir gewünscht habe. Die Gefühle der Charaktere waren für mich zwar greifbar, hätten aber in Bezug auf die Liebesgeschichte noch viel intensiver und tiefgreifender sein können, gerade da die Beziehung der beiden so toxisch ist. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass Liebe eine toxische Beziehung okay macht, aber ich könnte einfach mehr fühlen und nachempfinden, wieso Emilia sich das alles antut. So sehr ich die prickelnden Momente zwischen den beiden auch liebe, hätte ich mir doch gewünscht, dass ihre Beziehung zu Beginn nicht ganz so sehr auf das Körperliche beschränkt worden wäre. Es suggeriert für mich in gewisser Weise, dass Vicious Anziehungskraft auf Emilia für sie so stark ist, dass sie gar nicht umhin kommt, sich von ihm wie Dreck behandeln zu lassen. Ich hätte mir gewünscht, dass ihre Wahl, ihr freier Entschluss dazu mehr betont und vor allem auch gut begründet worden wäre, sodass man ihre Denkweise und ihr Handeln greifen und nachvollziehen kann. Daneben gibt es in dieser Geschichte weitere interessante Plot Twists, insbesondere zu Vicious Familie, die mich an das Buch fesseln konnten, welches sich übrigens auf zwei Zeitebenen abspielt: Es gibt Rückblenden aus ihrer Highschool-Zeit als sich Emilia und Vicious kennenlernten und das Jetzt, das sich 10 Jahre später abspielt. Erst nach und nach erfährt man, was damals zwischen den beiden vorgefallen ist, was die Spannung intensiviert und zum Weiterlesen anhält. Die Liebesgeschichte steht hierbei aber ganz klar im Zentrum des Buches. Zu den Charakteren: Die Geschichte wird abwechselnd aus Emilias und Vicious Sicht in der ersten Person Singular erzählt. Vicious ist kalt, distanziert und im wahrsten Sinne des Wortes bösartig. Sein Verhalten anderen Menschen gegenüber ist grausam und nahezu sadistisch. Daneben ist er arrogant, kontrollsüchtig, bevormundend, egoistisch und blind vor Rachsucht. Je mehr ich über seine Familie und seine Kindheit erfuhr, desto besser konnte ich ihn und sein Handeln verstehen, dennoch entschuldigt es nichts! Es führte nur dazu, dass er mir unheimlich leid tat und zwar mehr als er mich wütend machte. Vicious ist ein gebrochener Mann, der seinen unbändigen Schmerz damit kompensiert, sich wie das größte Arschloch aller Zeiten aufzuführen. Emilia wird hier als unbeschreiblich gut, brav und liebenswürdig dargestellt, was ich so allerdings nicht ganz unterschreiben kann, denn auch sie macht Fehler (ich sage nur Dean), was ich aber gar nicht böse meine, denn Fehler sind menschlich, aber sie ist eben auch nicht ganz so heilig wie Vicious sie sieht. Emilia ist mitfühlend, fürsorglich und nahezu aufopferungsvoll. Sie kümmert sich rührend um ihre kranke Schwester, sorgt sich um ihre Eltern und sieht stets das Gute im Menschen. L. J. Shen hat mit Emilia und Vicious interessante und facettenreiche Charaktere mit Ecken und Kanten erschaffen, die nicht der Norm entsprechen und mich dadurch umso mehr fasziniert haben. Letzteres trifft insbesondere auf Vicious zu, welcher mit seiner dunklen Seite mehr als komplex und vielschichtig ist. Sein Charakter ist der Autorin wirklich beeindruckend gut gelungen! Die Protagonist:innen sind greifbar und wirken echt und lebendig. Zum Schreibstil: Der Schreibstil ist locker-leicht und lässt sich flüssig lesen, konnte mich dabei aber auch richtig von sich einnehmen und fesseln. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe mich immer sehr auf das Weiterlesen gefreut. L. J. Shen verwendet eine harte, derbe und partiell sogar vulgäre Sprache, was ich eigentlich überhaupt nicht mag, aber hier passt es so gut zu den Charakteren und ihrer Geschichte, dass es fast schon ein Muss ist! Daneben ist der Schreibstil der Autorin erfrischend und humorvoll, was die eher düstere Stimmung immer wieder etwas auflockert. Insbesondere die Beschreibungen von Emilias Kleidung haben mich oft zum Lachen gebracht. Fazit: Da ich die "All Saints High"-Trilogie der Autorin so sehr liebe, bin ich wohl mit etwas zu hohen Erwartungen an diese Geschichte herangegangen und wurde dementsprechend zwar nicht enttäuscht, aber eben auch nicht vom Hocker gehauen. Ich liebe die Komplexität und Vielschichtigkeit in L. J. Shens Charakteren und wie sie einzigartige Beziehungen und Verbindungen zwischen ihren Protagonist:innen entstehen lässt. Trotz kleiner Schwächen habe ich dieses Buch geliebt und bis zur letzten Seite mitgefiebert und freue mich nun schon sehr auf die Folgebände. 4/ 5 Sterne ⭐️