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Unendlicher Regen Mit „Das Meer von Mississippi“ , im Original „The tilted world“ hat das Autorenduo Beth Ann Fennelly und Tom Franklin eine mitreißende Geschichte abgeliefert. Mit realem Hintergrund. Die große Flutkatastrophe von 1927 ist aus dem kollektiven Bewusstsein der Menschen im Süden verschwunden. 70 000 Quadratkilometer lagen unter Wasser, teils bis zu 10 Meter tief und flossen 4 Monate lang nicht ab. Diese Flut veränderte die Landschaft der Südstaaten nachhaltig bis heute. Verwoben mit politischen und monetären Interessen, der Prohibition, den Lebensumständen in den späten 20ern und der Landschaft, die ihre Bewohner prägt, eröffnet der Roman rund um die junge Südstaatlerin Dixie Clay einen informativen, spannenden Einblick in die Ereignisse, der die LeserInnen tief in die Story hineinzieht. Dixie Clay lebt in der fiktiven Ortschaft Hobnob. Sie ist unglücklich verheiratet, bessert das Familieneinkommen mit Fallenstellen und Jagen auf und entwickelte sich zu einer begabten Schwarzbrennerin. Ihr Mann ist ehrgeizig, kriminell und selten anwesend, er vertickt den Selbstgebrannten und hegt ehrgeizige Pläne. Tatsächlich ist er der einzige Charakter der ein wenig blass bleibt, was, da er sehr unangenehm ist, nicht stört. Dixie Clay und Ted Ingersoll, der Prohibitionsagent, dessen Bekanntschaft sie bald machen wird, sind die interessanten Hauptfiguren. Ingersoll, dessen Lebensgeschichte sich peu à peu erschließt, lernt Dixie Clay kennen, als er versucht, das Baby das er gefunden hat in gute Hände abzugeben. Der Roman erzählt auch von der seltsamen Anziehungskraft dieser beiden, driftet aber, dank des unaufgeregten, fast sachlichen Erzählstils, nie in Kitsch ab, lässt Raum für die Entwicklung und ist dabei so kraftvoll, wie zart und lebendig, dass sich beim Lesen zumindest bei mir ein starker Sog eingestellt hat. Weglegen war fast unmöglich. Die verregneten Maitage bei uns, während ich diese faszinierende Geschichte lesen durfte, passten zum Dauerregen im Roman, der die Szenerie und Atmosphäre rund um die Geschehnisse während der großen Flut und die verzweifelten Versuche der Menschen dort, sie zu verhindern, beherrschte und Verursacher dieser brutalen Naturkatastrophe war. Die warmen Worte von Dennis Lehane auf dem Einband, der den eigentlich in den USA als Krimiautor bekannten Tom Franklin feiert, sind mehr als berechtigt. „Das Meer von Mississippi“ ist ein Lesehighlight 2021. Großartig erzählt, detailreich und faszinierend umgesetzt.