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Mal eine intensive Kindereinsicht mit ignoranten & selbstsüchtigen Eltern Bewertung: Ich habe das Ebook im Sommer vom Verlag bei netgalley erhalten. Kurze Zeit danach überkam mich ein Sommerloch und ich lies das Ebook liegen. Nun habe ich die Geschichte als Hörbuch gehört, statt das Ebook zu lesen. Das Cover ist wunderschön gestaltet und passt zur Geschichte und zum Titel. Der Klappentext führt in die Irre; es geht nicht darum, den Menschen ihre Gabe zurückzugeben, auch wenn das fehlende Lesen ein Thema ist. Es geht eher darum, die beiden Kinder der Fantasiewelt (dem achten Kontinent) zurück nach Hause zu bringen, weil ihr Heimatglobus zur Orientierung nicht zur Verfügung steht. Der Titel suggeriert ebenfalls etwas anderes - ich habe da viel mehr erwartet, dabei ist das Land der Geschichten eher ein Nebenthema. Die Kapitel haben Überschriften. Das Leben von Liane hat die Autorin sehr deutlich wiedergegeben, aber das eigentliche Abenteuer dafür umso kürzer. Ich hatte mich gewundert, wie lange es dauert, bis Liane überhaupt den Globus entdeckt. Da waren schon knapp 40 % Hörzeit verloren. Liane ist ein fantasievolles und neugieriges Mädchen, dass viel hinterfragt und ihren Eltern damit auf die Nerven geht. Die Autorin gibt einfühlsam Lianes Gedanken und Gefühle wieder, und obwohl sich der persönliche Teil so lange hinzieht, war es für mich nicht langweilig und hat mich gefesselt. Liane verabscheut ihren namen, obwohl er doch selten ist. Dafür findet sie gewöhnliche Namen wie Jenni und Thomas wunderschön. Ich konnte da nur den Kopf schütteln. Ganz absurd wurde ihr innerer Vorschlag, die Kinder doch selbst entscheiden zu lassen, wie sie genannt werden wollen. Das ist nicht das Absurde, sondern, dass sie weitermeint, man könne doch bis dahin die Kinder mit passenden Spitznamen rufen; Bei Jungem mit blauen Augen "Blauer", bei Mädchen mit Locken "Locki", bei jemanden mit Sommersprossen "Sprossi" ... oder "Aggu" ist auch gefallen. Als ob man mit diesen bescheuerten Namen nicht erst recht gehänselt werden würde ... Für eine sehr durchdachte Person, empfand ich ihren Vorschlag für naiv. Die Reise auf dem Weg nach Hause führt die drei Kinder zu vier Wesen, die die vier verschiedenen Jahreszeiten und Elemente vertreten. Um die jeweiligen Wege weitergehen zu können, müssen die Kinder die gestellten Fragen beantworten. Diese Art des Abenteuers finde ich sehr schön. Eine Szene mit dem Buchhändler wurde nicht ausgeführt und ließ mich ratlos zurück ... er merkt, dass die Bücher im Regal anders stehen und heller sind als zuvor. Und schmunzelt einfach vor sich hin. Da hört die Szene auf und die Autorin springt zu dem Abenteuer der Kinder, und erklärt es auch nachträglich, als Liane den Buchhändler sieht, nicht. Am Ende des Abenteuers ist Liane plötzlich total beliebt in der Schule, wo sie immer wegen ihres Namens gehänselt wurde. Was hat diese Wandlung verursacht? In der Geschichte kommt es aus dem Nichts. Es ist eine ungewöhnlich bedrückende Geschichte. Lianes Eltern sind furchtbar! Der Vater ist immer nur abwesend und kümmert sich nur um seine Arbeit, die Mutter interessiert sich gar nicht für die Gedanken und Gefühle ihrer Tochter, redet sie klein und fährt ihr ständig über den Mund, verbietet ihn ihr sogar ("Und Schluss!")! Dann belügen beide Liane auch noch, vermeintlich um sie zu schützen, aber sie lassen Liane so mit ihren Ängsten und Unsicherheiten allein. Eine Stelle fand ich sehr seltsam, da freute sich Liane bei den Großeltern über Tee (Es gibt sogar Tee). Als ob sie Zuhause keinen Tee trinken darf. Sie darf ja so einiges nicht. Ihre Eltern beschweren sich dauernd über das Leben als Erwachsene und wie viel Arbeit sie haben und auch wie früher alles besser war, weil sie draußen spielen konnten und das keiner mehr tut. Gleichzeitig verbieten sie Liane das Spielen Draußen. Lianes Eltern sind leider keine Ausnahme und ich finde es gut, dass hier nicht wieder eine Bilderbuchfamilie erstellt wurde, sondern auch mal Eltern zeigt, die es wirklich gibt. Es ist wichtig, dass auch Kinder, die in solchen Haushalten aufwachsen müssen, angesprochen werden. Es ist nämlich sehr deprimierend, als Benachteiligter immer das Gegenteil vorgeführt zu bekommen. Kinder müssen wissen, in was für einer Welt sie leben - dass nicht alle Kinder eine heile Welt haben ... Das mag den einen oder anderen nicht gefallen - Kinder werden ja gerne in Seifenblasen gesteckt -, aber ich finde etwas Realismus in Kindergeschichten hilfreich und weiterbildend. Aber hier merke ich auch, wie ignorant doch viele sind; keiner der Leser hat etwas zu den Eltern geschrieben, außer, sie haben kaum Zeit für Liane (die Meisten haben diese Tatsache ganz übergangen). Dabei ist das nur die halbe Wahrheit. Auch ihr anderweitiges Verhalten (besonders das der Mutter) ist grauenhaft und setzt Liane sehr zu. Aus solchen Kindern entstehen dann gestörte Persönlichkeiten. Man will einfach diese dazugehörige grausame Realität nicht in Kinderbüchern lesen. Ebenfalls bedenklich finde ich die Tatsache, dass es vielen Lesern zu viel ist, Lianes Gedanken und Gefühlen umfangreich zu lesen. Wenn sie ein Kind von Bilderbucheltern wäre, würde es diesen Lesern gefallen. Denn in anderen Büchern wird genau diese intensive Bearbeitung gelobt. Unterstützt wird die Geschichte mit tollen Illustratoren, in der Lesefunktion. Im Ebook sind sie leider nur schwarzweiß, aber wenn sie wie das Cover gestaltet sind, sind sie wundervoll bunt. Die Sprecherin hat mich von Anfang an sofort mitgenommen. Eine tolle, samtige Stimme. Sie passt die Tonlagen an die jeweiligen Szenen an. Das Hörbuch war im Nu durchgehört. Fazit: Eine einfühlsame Erzählung mit einer reifen Protagonistin, die zu Herzen geht. Die Autorin hat den Schwerpunkt auf die intensive Ausarbeitung von Lianes Charakter und Leben gesetzt, der abenteuerliche Teil kommt zu kurz. Mich hat die Geschichte von Beginn an gefesselt, nicht zuletzt wegen der tolle Sprecherin und ihrer atmosphärischen Stimmlagen. Ich glaube, Kinder können sich mit Liane, ihren Gedanken und Gefühlen, ihrer Neugier und ihren Fragen, sehr identifizieren. Ich habe mich als Erwachsene sehr angesprochen gefühlt. Die Geschichte sollte mit einem Erwachsenen gelesen werden, um Themen wie Mobbing, Einsamkeit und Kindererziehung mit den Kindern zu besprechen. Sie sollten damit nicht alleine gelassen werden. Das Buch führt unsere gesellschaftlichen Werte (gute und schlechte) auf, was sehr wichtig ist. Ich bedanke mich sehr beim netgalley-Team und dem Verlag für das Ebook und entschuldige mich für die verspätete Rezension.