sommerlese
Ruhrpott, 1968: Bärbel kehrt als Ärztin in ihre Heimat Essen zurück und zieht in ihren Familienverbund mit Schwester Inge, Schwager Johannes, Vater Karl und Bruder Jakob. Die Zeit ist offen für Neues, Flowerpower, Frauenrechte, Studentenbewegung und technische Errungenschaften sorgen für Veränderung in der Gesellschaft. Doch zunächst sieht Bärbel einer ganz anderen Herausforderung entgegen, denn ihre Jugendliebe Klaus wohnt mit Frau und Tochter im Nachbarhaus und sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Im Vordergrund steht Bärbels neuer Lebensabschnitt in Essen. Zurück bei der Familie findet sie eine Stelle als Ärztin in einem katholischen Krankenhaus. Als sie Klaus wiedersieht, merkt sie, dass ihre Gefühle für ihn immer noch stark sind. Doch Klaus hat in seiner Ehe gerade selbst Probleme und versucht, sich um seine Tochter zu kümmern. Mit dem eingebauten Zeitgeschehen (samt Mondlandung und Bonanza) hat Eva Völler diese Zeit der späten 60er Jahre wieder aufleben lassen. Aber auch die Folgen der harten Arbeit in der Kohleförderung, das Zechensterben und die Veränderungen in der Gesellschaft hat sie in diesem Buch sichtbar gemacht. Von diesem Roman bin ich nach dem Lesen immer noch ganz berauscht, so hautnah konnte ich mit den Figuren mitfiebern, die gesellschaftlichen und modischen Veränderungen der Zeit miterleben und das Flair im Ruhrpott mit Dialekt und Bergwerksarbeit nachempfinden. Man wird von dieser genauen und detailreichen Schilderung mit realen Marken, Musikhits und Ohrwürmern, politischen Gegebenheiten und Modeerscheinungen regelrecht in die Zeit gebeamt und ich habe die Entwicklung der einzelnen Schicksale gespannt mitverfolgt. Dabei haben die eindeutig gezeichneten Charaktere ihre Rollen wie Schauspieler hervorragend gespielt, ihre unterschiedlichen Charaktere und persönlichen Besonderheiten mitsamt nachfühlbaren Emotionen waren wiedererkennbar und wunderbar zu lesen. Auch das Ruhrpott-Platt durfte da nicht fehlen. Mir sind viele Figuren mit ihrer liebenswürdigen Art regelrecht ans Herz gewachsen und ich war gleichzeitig zufrieden und dennoch traurig, als die Geschichte geendet hat. Dieser Roman ist eines meiner Highlights im Mai, es ist eine wunderbar erzählte, authentische Zeitreise in das Leben Ende der 60er Jahre im Ruhrpott. Wer Familiengeschichten mag, wird hier seine helle Freude haben.