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dajobama

Posted on 14.5.2021

Hotel Weitblick – Renate Silberer Vier Anwärter auf eine Führungsposition einer Werbeagentur treffen sich für ein Wochenende in einem abgelegenen Hotel. Der bekannte, doch heimlich von Selbstzweifeln geplagter Consulter, Marius Tankwart, soll den drei Männern und einer Frau auf den Zahn fühlen und am Ende entscheiden, wer von ihnen am geeignetsten für einen Geschäftsführerposten ist. So weit so gut. Die Sache ist, nicht nur der Consulter selbst, auch alle vier Kandidaten leiden unter großen psychischen Problemen, Ängsten, Zwängen, Traumata. Geeignet für eine Führungsposition ist von ihnen überhaupt keiner, das merkt der Leser bereits nach wenigen Seiten. Es ist ein Trauerspiel der Täuschung und Selbstbeherrschung. Schuld an der Misere ist der durch den Nationalsozialismus geprägte Erziehungsstil aus Abstand, Kälte, Disziplin etc. Allen Figuren gemeinsam ist ein mehr oder minder ausgeprägter Mutterkomplex. Auch dieser Zusammenhang wird bereits in den ersten Kapiteln erläutert (steht auch im Klappentext!). Leider ist damit auch inhaltlich bereits alles gesagt. Denn darüber hinaus gibt es eigentlich keine Handlung. Vielmehr werden die diversen psychischen Störungen und Bindungsunfähigkeiten genauestens unter die Lupe genommen und der Zusammenhang mit der fehlerhaften Erziehung ein ums andere Mal betont. Dabei werden die Figuren recht stark auf ihre Probleme reduziert, obwohl diese sehr gut und detailliert beschrieben werden. Das ist durchaus interessant, eine Bindung kann jedoch leider nicht aufgebaut werden. Eine große Stärke dieses Romans ist sicherlich Frau Silberers Sprachstil. Der ist sehr auffällig, mit teils abgehakten, auch unvollständigen Sätzen. Dadurch aber recht eindringlich und trotzdem gut lesbar. Ich mochte das sehr. Meiner Meinung nach reicht das Thema „psychisch kaputte Leistungsgesellschaft als Ergebnis des Nazi-Erziehungsstils“ in der Form als alleinige Handlung für einen Roman nicht aus. Sämtliche Informationen werden bereits ganz am Anfang serviert, dann nur noch die Auswirkungen beschrieben und immer wieder die Zusammenhänge erklärt, die man bereits im ersten Drittel verstanden hat. Das wirkt ein bisschen plump und sehr eindimensional. Die Tiefe fehlt mir sowohl bei den Figuren, als auch in der kaum vorhandenen Handlung. Einzig die Sprache kann hier noch was retten. Trotzdem gibt es von mir leider nur 2 Sterne!

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