
trinschen
Ich mag ab und an gerne Reiseberichte lesen, wenn es wie in diesem Fall ums eigene Land geht, umso schöner. Anna Magdalena Bössen nimmt den/die Leser*in mit auf eine sehr persönliche Reise durch Deutschland. Ihre Idee: Mit einem leuchtend gelben Koffer erkundet sie Deutschland und tritt dabei als Rezitatorin gegen Kost und Logis überall dort auf, wo sie eingeladen wird. So lernt sie Land und Leute hautnah kennen – inklusive aller regionalen Eigenarten: Da sind zum Beispiel die Mecklenburger, die während des Auftrittes kaum zucken, nur um die Künstlerin hinterher wie einen großen Star zu feiern, da sind die Regionen, wo Zugezogene auch nach Jahrzehnten noch „die Zugezogenen“ bleiben. Mit im Gepäck hat Anna Magdalena Bössen neben Gedichten auch das sperrige Thema „Heimat“. Was bedeutet der Begriff Heimat für die Menschen? Ist es ein bestimmter Ort oder eine Region oder ist es das Zusammensein mit Menschen, bei denen man sich wohlfühlt? Darf man stolz darauf sein, aus Deutschland zu kommen, ohne gleich in die rechte Ecke geschoben zu werden? Anna Magdalena Bössen reist 2014 und 2015 durch Deutschland, mitten in der großen Flüchtlingswelle und das beeinflusst gerade den zweiten Teil ihrer Reise sehr. Die Begriffe „Heimat“ und „Wurzeln schlagen“ bekommen mit dem Hintergrund eine ganz neue Bedeutung. Mich hat das Buch anfangs sehr schnell in seinen Bann gezogen, weil es so war, wie ich es mir vorgestellt hatte: Frau ist mit dem Rad unterwegs und beschreibt, was sie erlebt. Es gelingt Anna Magdalena Bössen, von ihrer Reise mit allen Höhen und Tiefen sehr anschaulich und mit einem Augenzwinkern berichten, dabei spart sie auch negative Gefühle nicht aus. Im zweiten Teil der Reise verlieren ihre Texte für mich ein bisschen an Zauber. Zwar gibt es immer noch viele Beschreibungen von Natur und Erlebnissen, aber es gibt auch einen höheren Anteil an Selbstreflexionen über das Thema Heimat, die Natur, und der Suche nach dem Ankommen und dem Sinn des eigenen Lebens. Insgesamt ist das Buch eine Liebeserklärung an Deutschland und macht Lust darauf, das eigene Land (oder die eigene Heimat?) zu erkunden.